Bitte cool bleiben!
Der Jäger hat doch nur "etwas komisch geschaut". Nicht mehr, nicht weniger. Er hat weder gesagt, Ina soll verschwinden, noch, dass ihn ihre Anwesenheit sonst wie stört. Erstaunlich, dass "komisches Schauen" gleich zu einer Diskussion führt, ob und inwieweit ein Jäger da "mitzureden" hat. Da schwingt meines Erachtens wieder mal eine unüberhörbare Dissonanz zum Thema Jagd mit.
Ohne zu tief in mögliche Konstellationen der Beteiligten einzutauchen: Der Jagdpächter (oder Begehungsscheininhaber) kann und will niemanden aus "seinem" Wald vertreiben. Jeder kann und darf öffentliche Wälder betreten, solange sie nicht in begründeten Fällen vom Gemeingebrauch ausgenommen sind, z.B. besondere, von Bodenbrütern genutzte Areale etc.. In letzterem Fall ist dies besonders mit Schildern gekennzeichnet und das Areal zumeist auch mit Bändern gesperrt.
Wenn ein Jäger mal etwas sagt, appelliert er lediglich an die leider zu oft nicht vorhandene Vernunft der Waldbesucher! "Komisches Schauen" kann möglicherweise auch angeboren sein.
Da das Thema recht komplex ist, möchte ich ein paar Worte darüber verlieren:
Die Ausgangslage an Störungen in einem Revier sind die unvermeidlichen Opfer durch den Straßenverkehr und die Landwirtschaft (z.B. anlässlich der 1. Wiesenmahd). Aktuelle Zahlen für ein ca. 400 ha Revier wie folgt: Erstmals hatten wir es 2013 durch gute Zusammenarbeit mit den Bauern und intensive Suche geschafft, dass kein einziges Kitz totgemäht wurde. Trotzdem forderte der Straßenverkehr trotz blauer Reflektoren an den Pylonen (wer zahlt die aus seiner eigenen Tasche?
) allein bei uns 5 Rehe, davon 3 Geißen, deren Kitze - in der Regel 2 pro Reh - den Verlust ihrer Mutter nicht lange überleben werden, 2 Wildschweine, 1 Dachs. Von Füchsen, Hasen und Federwild möchte ich gar nicht erst anfangen.
Über die nur angefahrenen Stücke liegen uns keine Erkenntnisse vor, wenngleich man wohl davon ausgehen kann, dass ein "Roadkill" nicht immer sofort tödlich ist und sich das Wild noch in die nächste Dickung schleppt um dort zu verrecken.
Nach der Ausgangslage kommen wir zu leicht vermeidbaren Störungen: Im Winter ist der Stoffwechsel von vielen Wildtieren massiv herunter gefahren, sodass wiederholte Fluchten wegen vermeidbarer Störungen für sie oft tödlich enden. Leider scheint das nur die wenigsten Waldnutzer zu interessieren.
Die Aufforderung den Hund im Winter und wenigstens in der Setzzeit bitte anzuleinen, stößt zu 99% auf Unverständnis der Besitzer ("mein Hund wildert nicht") und löst nicht selten unerklärliche Hasstiraden gegen Jäger im Allgemeinen aus. Manchmal, so scheint es, kenne ich Lumpi dann doch besser als seine Besitzerin, z. B. als ich 2013 Zeuge wurde, wie der Riss (Junghase) abseits und ohne Kenntnis von Frauchen gewildert wurde.
Ich sag ja schon nichts mehr, wenn die Besucher abseits der Wege durch den Wald laufen. Da gibt es noch weitaus rücksichtslosere Gehirnkastraten: Der Mountainbiker muss unbedingt durchs Unterholz, weil Offroad-Vehikel schließlich für die extremen Regionen dieses Planeten entwickelt wurde, und der Night-Geocacher kriegt den besonderen Kick im Unterholz nur bei Mondlicht (unter Zuhilfenahme einer Stirnlampe). Dann gibt es noch solche Vollpfosten, die ihre Enduro im Wald an die Leistungsgrenze bringen müssen, oder Sondengänger, denen es offenbar sogar zu mühsam ist, ihre gegrabenen Löcher wieder zu schließen (fatal für den Lauf eines flüchtenden Rehes). All diese Menschen lassen dem Wild keine Chance, in einigermaßen beruhigten Zonen zu leben.
Ich persönlich habe es inzwischen aufgegeben, im Wald etwas zu sagen (auch Engelszungen können Vorurteilen nichts entgegensetzen), denn ein Vortrag, der um Verständnis wirbt und die Zusammenhänge erläutert, wäre dort zu lang und ich bin es leid, fast immer nur blöde Antworten zu bekommen, wonach Jäger anderen nur "ihren" Spaß verderben wollen, damit sie mehr Schießen können. Leider bauen sich in mir langsam auch Vorurteile auf, wenn ich vor meinem geistigen Auge sehe, wie eben dieser Mensch lecker Schnitzel aus qualintensiver Massenproduktion kauft (und isst, leider noch immer kein Kotz-Smiley).
Ja, wir schießen auch mal, hin und wieder, wenn wir mal nicht Baumschutzmaßnahmen durchführen, Singvogelschutz betreiben, Biotope anlegen, Kitzsuchen durchführen, nachts das Unfallwild von der Straße kratzen, die alten Drahtverhaue und Fußangeln um die Schonungen der Waldbauern rausreißen und sonstigen Müll aus dem Wald entsorgen. Dann aber nur sehr selektiv auf inzuchtgeschädigtes (wegen der Zäune und Straßen gibt es kaum noch genetischen Austausch), krankes (angefahrenes), überhand nehmendes (Sauen) und leider immer seltener auf "erntereifes" Wild… Um den Rahmen nicht zu sprengen werde ich gerne jede noch offene Frage hierzu per pm beantworten.
Ja, es gibt leider auch Arschlöcher in unserer Zunft, aber die gibt es auch in anderen Zünften. Leider werden immer nur diese wenigen Arschlöcher medial verwurstet, weshalb das Bild des Jägers in der Öffentlichkeit mittlerweile völlig verzerrt ist.
Ja, diese Ausführungen sind an dieser Stelle völlig deplatziert, aber irgendwie musste das jetzt raus.
Sorry.
Gruß,
Andi