Autor Thema: Old Shatterhand über Feuerkugeln und Winnetou auf Meteoritenjagd  (Gelesen 4887 mal)

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Old Shatterhand über Feuerkugeln und Winnetou auf Meteoritenjagd
« am: April 09, 2013, 21:28:41 Nachmittag »
"Nun war das Firmament wieder dunkel wie vorher; man sah die Sterne wieder wie verschwindend kleine Punkte, doch ein voller, gewaltiger Ton, welcher aus mehreren übereinanderliegenden Oktaven bestand, brauste unisono über die Köpfe der erschrockenen Männer hin.

Nur Winnetou hatte auch jetzt seine gewohnte Ruhe beibehalten; es gab eben kein Ereignis, welches ihm dieselbe rauben konnte.

»Ku-begay, die Feuerkugel,« sagte er. »Der große Manitou hat sie vom Himmel geworfen und auf die Erde geschmettert.«

»Eine Feuerkugel?« fragte Blount. »Ja, es sah wie eine Kugel aus. Aber habt Ihr den Schwanz gesehen? Es war ein Drache; es war der Teufel, der böse Geist, welcher um Mitternacht sein Wesen treibt.«

»Pshaw!« antwortete der Apache, indem er sich von dem abergläubischen Manne abwandte.

»Ja, das war der Drache!« stimmte Porter seinem Gefährten bei. »Ich habe ihn noch nie gesehen, aber ich hörte andere von ihm erzählen. Meine Großmutter hat ihn in die Feueresse des Nachbars fahren sehen, welcher den Teufel hatte und ihm für Geld seine Seele verschrieb.«

»Laßt Euch nicht auslachen, Sir!« sagte der Bärenjäger. »Wir leben doch nicht mehr im dunklen Mittelalter, in welchem man noch an Drachen und Gespenster glaubte, oder in welchem vielmehr den Dummen dieser Glaube beigebracht wurde, damit die Klugen ihre Ernte dabei fänden.«

»Was es damals gegeben hat, gibt es auch jetzt noch! Oder wollt Ihr klüger sein als ich?« fragte Porter scharf.

»Pah! Ich bilde mir auf meine Klugheit gar nichts ein. Früher hielt man alle die Erscheinungen, welche man sich nicht zu erklären vermochte, für Teufelswerk. Jetzt aber ist, gottlob, die Wissenschaft so weit vorgeschritten, daß sie des Beelzebubs und seiner berühmten Großmutter sehr wohl entbehren kann.«

»Ach so! Ihr gehört wohl auch zu diesen Aufgeklärten und sogenannten Gelehrten?«

»Ich bin nicht gelehrt; aber daß eine Feuerkugel kein Teufel ist, das weiß ich doch.«

»Nun, was ist sie denn sonst?«

»Nichts als ein kleiner, brennender, entweder im Entstehen oder im Vergehen begriffener Himmelskörper, welcher auf seiner Bahn der Erde so nahe gekommen ist, daß er von derselben angezogen und auf sie herabgerissen wird.«

»Ein Himmelskörper? Also ein Stern?«

»Ja.«

»Welcher Dummkopf hat Euch das denn weiß gemacht?«

»Einer, dem das Wort Dummkopf in das Gesicht zu werfen Ihr wohl nicht wagen würdet, nämlich Old Shatterhand.«

»Der? Ist das wahr?«

»Jawohl! Wenn wir des Abends am Lagerfeuer saßen, haben wir uns sehr oft über solche scheinbar unerklärliche Dinge und Erscheinungen unterhalten, und er hat für alles eine ganz natürliche Erläuterung gehabt. Wenn Ihr klüger sein wollt, als dieser Mann, so habe ich nichts dagegen. Habt Ihr denn nicht gehört, daß hier etwas in das Wasser gefallen ist?«

»Gehört, gesehen und auch gefühlt. Wir sind ja alle naß geworden.«

»So ist also, wenn Eure Ansicht richtig wäre, der Teufel hier in den Teich gestürzt, und da wir vergessen haben, ihn herauszuziehen, so ist er jedenfalls ertrunken.«

»Der ersäuft natürlich nicht. Er ist gleich hinunter in die Hölle gefahren.«

»So kann er sich dort am Feuer trocknen, nachdem er hier naß geworden ist, damit er sich nicht gar erkältet und einen Schnupfen bekommt. Könnten wir das Wasser entfernen, so würden wir ein Loch im Boden sehen, in welchem der Ärolith steckt, ein Stück des Meteorsteines, aus welchem die Feuerkugel bestanden hat.«

»Ein Stein? Hm! Der hätte uns ja erschlagen können!«

»Allerdings. Es ist ein Glück für uns, daß er ins Wasser fiel.«

»Ich will nicht mit Euch streiten; aber hat Euch Old Shatterhand vielleicht auch die Töne erklärt, welche wir vorhin hörten?«

»Vom Yuavh-kai haben wir nicht gesprochen; aber ich entsinne mich jetzt, daß er von dem bekannten Sackbut-Paß gesprochen hat, welcher droben in den Rattlesnake-Bergen liegt. Wenn der Wind in gerader Richtung durch die so enge, tief eingeschnittene Schlucht bläst, so sind Töne zu hören, welche wie von einer Posaune klingen. Der Hohlweg ist das Instrument und der Wind der Musikant.«

»Windig genug klingt diese Erklärung freilich; aber ich will auch da nicht mit Euch streiten. Glaubt ihr, was Ihr wollt, und ich denke auch, was mir beliebt.«

»Der Bärenjäger hat recht,« sagte Winnetou. »Es gibt viele Thäler, in denen solche Töne klingen, und der Häuptling der Apachen hat auch schon Steine gesehen, welche der Große Geist vom Himmel geworfen hat. Der gute Manitou hat jedem Sterne seine Bahn gegeben, und wenn die Feuerkugel die ihrige verläßt, so muß sie zerschellen. Ich werde versuchen, die Spur des Steines im Wasser zu entdecken.«

Er hatte das mit eigentümlich erhobener Stimme gesprochen. Dann entfernte er sich, indem er am Wasser hinschritt und dann im Dunkel der Nacht verschwand.
"


Karl May: Der Sohn des Bärenjägers, 1887 Kap.9.

 :eek:
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Offline karmaka

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Re: Old Shatterhand über Feuerkugeln und Winnetou auf Meteoritenjagd
« Antwort #1 am: April 09, 2013, 22:20:07 Nachmittag »
Interessant!

Ob da der Fall von Barntrup vom 28.5.1886, vermittelt durch L. Haepkes A New Aërolite (Nature, Sept. 1886),
eine Inspiration gewesen sein könnte?

Oder auch Novo-Urei (4.9.1886)?

Bezüglich des bäuerlichen Aberglaubens und der Tatsache, dass vielleicht ein Novo-Urei Meteorit in einen Sumpf (Wasser) fiel,
gibt es einige Parallelen zum Fall von Novo-Urei (Quelle). Die Frage ist nur ob May dies Anfang 1887 hätte wissen können?  :nixweiss:
« Letzte Änderung: April 09, 2013, 23:08:12 Nachmittag von karmaka »

Offline karmaka

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Re: Old Shatterhand über Feuerkugeln und Winnetou auf Meteoritenjagd
« Antwort #2 am: April 09, 2013, 23:43:36 Nachmittag »
Der Karl May Biograph Helmut Schmiedt geht von einer Verwertung entsprechender Brockhaus-Einträge bei der Verfassung der Erzählung Der Geist des Llano estakata (1888) aus:

LINK

Der Sohn des Bärenjägers (1887) und Der Geist des Llano estakata (1888), aus dem die oben zitierte Textstelle stammt, erschienen 1890 gemeinsam in einem Band.

Hier ist die obige Textstelle noch einmal im Gesamtzusammenhang zu lesen.
« Letzte Änderung: April 10, 2013, 00:25:04 Vormittag von karmaka »

 

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