Hallo Plagioklas,
jetzt fangen wir aber bitte nicht das Erbsenzählen an. Essigsäure schlägt bei Kalkstein immer an. Zersetzte Essigsäure ist keine Essig-Säure mehr. Du kannst auch nicht verfaultes Fleisch als Begründung für die Behauptung heranziehen, jegliches Fleisch verursache häufig Erbrechen.
Und, ja genau, Ameisensäure schlägt bei Kalkstein immer an. Salzsäure auch. So lange, bis sie überaltert ist. Dann nicht mehr. Meine These daher: Ameisensäure und Salzsäure schlagen bei Kalkstein nicht immer an
Ein "Sprudeln", das in etwa dem Entgasen von kalten Leitungswasser auf einer Glasplatte entspricht, ist m.E. auch kaum als Positives Testergebnis zu bewerten, da die Steine auch poren haben.
Hast Du schon mal einen Kalkstein aufsprudeln gesehen, als seine Poren bei der Benetzung mit Wasser entgast haben? Das sieht doch etwas anders aus... Auch akustisch besteht ein deutlicher Unterschied zwischen dem zischenden Geräusch des Ätzvorgangs und dem Blubbern oder Pfeifen der Porenentgasung. Ich würde sagen, Übung macht den Nachweis-Meister. Dazu gehört auch, einsatztaugliche Chemikalien zu verwenden und keine überalterten, zersetzten Restbestände.
Im Übrigen bevorzuge ich - wie alle Geologen - Salzsäure für den Kalksteinnachweis. Aus dem Grund, dass sie auch bei noch leicht kalkhaltigem Dolomit anschlägt, wenn auch deutlich schwächer, während reiner Dolomit keinerlei Reaktion verursacht. Essigsäure reagiert bei Raumtemperatur mit beiden Gesteinen deutlich träger, der Unterschied ist daher nicht immer so eindeutig feststellbar. Bei tiefen Temperaturen reagiert Essigsäure kaum mehr merklich mit kalkigem Dolomit, womit sie speziell für den Direktnachweis im Gelände ungeeignet ist.
Ameisensäure ist schwächer als Salzsäure, es bestehen die gleichen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen kalkhaltigem und kalkarmem/-freiem Dolomit wie bei Essigsäure.
In der Praxis erfreut sich Essigsäure im häuslichen Umfeld großer Beliebtheit für den Kalknachweis, weil fast in jedem Haushalt sofort zur Hand bzw. sofort im Supermarkt zu bekommen. Für Salzsäure muss man schon extra in den Baumarkt, und Ameisensäure muss in der Apotheke oder im Chemikalienfachhandel besorgt werden. So dürfte sich erklären, warum meistens von Essigsäure die Rede ist wenn es um den Kalknachweis geht. Und warum er manchmal fehlschlägt, wenn man kostendämpfend eine zwei Jahre alte Flasche Essig zum Einsatz bringen will die noch im Schrank herumstand
Abschließend sei erwähnt, dass Salzsäure bei der Reaktion mit Calciumkarbonat Kohlendioxid freisetzt, was bei umsichtigem Einsatz keine Gesundheitsgefährdung darstellt. Ameisensäure setzt dagegen Kohlenmonoxid frei (auch beim regulären Alterungsprozess), was böse ausgehen kann, wenn man seine Nase allzu nahe und lange an ein Gefäß hält, in dem gerade die Reaktion abläuft. Kohlenmonoxid bindet sich ca. 300 mal stärker als Sauerstoff an das Hämoglobin im Blut und wird nur sehr langsam wieder abgegeben, so dass es zu einer kummulativen CO-Vergiftung kommen kann wenn man dem Gas länger ausgesetzt ist, auch wenn man es bei jedem Atemzug jeweils nur in kleinen Mengen aufnimmt. Neben akuten Beschwerden können sich auch Langzeitfolgen ergeben. Davon abgesehen ist CO brennbar.
Zum Ätzen von Knochen aus Kalkstein verwende ich zwar vorwiegend Ameisensäure wegen diverser Vorteile gegenüber Salz- oder Essigsäure, tue das aber mit gehörigem Respekt und nur in einem gut belüfteten Raum, in dem ich mich außer zur gelegentlichen Kontrolle des Prozesses auch nicht aufhalte. Ameisensäure verwahren und benutzen sollte m. E. nur jemand mit dem nötigen Grundwissen.
Gruß,
Rainer