Hallo Forum,
ich kämpfe zur Zeit täglich an allen Fronten, beruflich und privat, aber primär darum, dass meine schwer kranke Tochter weiter am Leben bleiben kann, was ein Großteil meiner gegenwärtigen Kraft abverlangt. Seit zwei Jahren muss ich das Unvermögen der Ärzte miterleben, die scheinbar mehr Ahnung haben vom Abrechnen als vom Heilen. Trotz all dieser privaten Probleme blieb die Zeit nicht stehen und es gab in der Zwischenzeit zwei weitere mögliche deutsche Meteoritenfälle, die ebenso wie Geislingen einen detonierenden Meteor abgegeben und die mich beschäftigt haben. Ich möchte nur deutlich sagen, dass ich weder Zeit noch Lust habe, hier öffentlich über Stolz und Vorurteile zu reden.
Ein paar Worte mehr muss ich trotzdem loswerden, denn letztlich kann ich Euren Frust und Ärger auch verstehen.
Wie gelähmt habe auch ich erst diese Woche im GEO-Heft lesen dürfen, was andere so über meine Arbeit und mein Leben schreiben. Und über Trittbrettfahrer! Wenn GEO oder eben auch die Geislinger Zeitung etwas schreiben, dann solltet Ihr bitte auch bedenken, ich war nicht der Autor, bevor Ihr mir alles schlechte dieser Welt vorwerft und mir mit unerschütterlicher Gewissheit zutraut, dass ich dies alles so gesagt (vielleicht auch noch wortwörtlich) und damit alles zu verantworten habe. Für so naiv und ungerecht halte ich Euch eigentlich nicht. In Deutschland existiert glücklicherweise eine freie Presse, auch wenn sie manchmal sehr frei ist, was das Interpretieren und Ausschmücken von Fakten betrifft. Denkt einfach mal zurück an den Artikel in der Financial Times (Jan 2009).
Ich verstehe also nicht, warum Ihr nun a priori für mich solche, zum Teil verletzende Worte findet, ohne Euch vorher über meine Sicht der Dinge zu informieren?! Warum werde ich schon wieder auf diese Weise zu einer öffentlichen Stellungnahme gezwungen!? (PS: Andreas, deine Private Mitteilung ist damit nicht gemeint.) Wenn Journalisten polarisieren wollen (ja - wie auch einige von Euch es mit Genuß hier im Forum immer wieder tun), dann tun sie es einfach! Sie fragen nicht bei mir nach, darf ich dies oder darf ich jenes nicht. Auch für mich ist es jedesmal ein Kampf, die Medien bei den Themen, wovon ich etwas verstehe und die mir (und Euch) am Herzen liegen, zu veranlassen, mehr Sorgfalt bei der Suche nach den richtigen Worten zur exakteren Beschreibung eines Sachverhaltes walten zu lassen. Wie man sieht, es gelingt nicht immer. Und Euch ist es doch längst bewußt. Wie gesagt, es ist doch nicht der erste Beitrag, der so zum Diskutieren einlädt, weil ein Anderer eben anders (von außen betrachtet) unser Handeln und Wirken interpretiert.
Ich möchte hier nicht noch mehr Abscheu und Ablehnung bei Euch wecken, aber zu einigen mir zur Last gelegten Vorwürfen möchte ich doch Stellung nehmen.
Weder habe ich Euch als Trittbrettfahrer oder gar als VW-Sucher bezeichnet, noch hat es mein „Kompagnon“. Weder bin ich mediengeil, noch möchte ich gerne mein Privatleben ständig öffentlich machen. Die Medien kommen stets zu mir und bitten darum, etwas über mich zu schreiben. GEO hat mich vor einem Jahr angesprochen, ob man mich nicht bei meiner Arbeit begleiten dürfte, und beim Fall Geislingen waren sie dann nicht mehr zu halten. Ähnlich ging es der Geislinger Zeitung. Das ist oft natürlich anstrengend und kann auch zu einer Belastung während meiner Arbeit werden. Andererseits mache ich auch kein Geheimnis daraus, dass ich zu meiner Arbeit auch auf Zeugen angewiesen bin, wobei mir durch eine Zusammenarbeit mit Medien ermöglicht wird, diese „Zielgruppe“ zu erreichen. Warum soll ich nicht auch davon profitieren, wenn schon meine „Haut zu Markte getragen wird“. Bitte legt mir das nicht wieder falsch aus, aber ich muss gestehen, vom Standpunkt eines Freiberuflers, der sich primär mit Meteorkunde beschäftigt und sich dabei selbst finanzieren muss, ist dies eine akzeptablere Situation, als mit einer für mich nicht einschätzbaren größeren Anzahl von privaten Meteoritensuchern und -Händlern zusammenzuarbeiten, die alle ihre individuelle Zielsetzung dabei haben. Aber diese Diskussion hatten wir schon.
Wenn ich den völlig hysterisch wirkenden darwin upheaval lesen muss, dann weiß ich auch nicht, was ich dazu sagen soll. Nicht nur, dass Medien, wenn es um Geld und Erfolg geht, übertreiben, um ihre Texte "zu veredeln", so sind einige seiner in die Diskussion geworfenen Worte noch ferner jeglicher Realität. Ich weiß nicht, wovon manche Menschen träumen. Aber sei doch mal realistisch, denk einmal richtig nach! Rechne zusammen, was Du so in zehn Jahren nach Steuer verdient hast. Überlege jetzt, wie viele Meteorite Du finden müsstest, um diese Summe zu erreichen. Und sie müssen erstmal fallen und du musst sie dann erst einmal finden. Ein Aufwand, den bisher kaum jemand in Europa vorfinanzieren wollte (wahrscheinlich aus gutem Grund). Also Deine wenigen Einnahmen (weil wenige Funde) müssen nun nicht nur Deine Ausgaben decken in den Jahren ohne Fall oder Fund, sondern auch noch Deine Familie (falls Du eine hast) wie eh und je ernähren. Viel Spaß auf dem langen Weg zur Erkenntnis. Wer schlecht im Rechnen ist, kann die Freunde vom Berliner Stammtisch befragen, wie ich da regelmäßig mit der dicken Kohle um mich schmeiße, oder auch nicht.
Und noch etwas, was Geislingen betrifft! Ich habe nichts gegen Geschenke. Ich nehme jeden nützlichen Hinweis dankend an. Aber bitte versteht auch, dass es sich bei Euren Einwendungen um falsche Annahmen handelt, wenn ihr meint, ich habe mich mit den Aufnahmen aus der Schweiz und Österreich ins gemachte Nest gesetzt und bin dadurch zur Lokalisierung des Zielgebiets gelangt. Was Ihr für Euch als Ausgangspunkt eurer Zielsuche anseht, muss für mich doch nicht analog gelten. Auch andere Wege können zum Ziel führen und taten es schon mehrmals. Vielleicht könnt Ihr akzeptieren, dass diese Aufnahmen nicht zwingend notwendig waren bei meiner Arbeit, um jenen detonierenden Meteor über der Schwäbischen Alb am Ende richtig zu lokalisieren. So erhielt ich, sogar noch bevor Mark seine Aufnahme im Internet frei zugänglich machte, den ersten Zeugenbericht. Und viel wichtiger ich bekam ausreichend viele Berichte schon am Wochenende, um mir ein erstes Bild zu machen. Auf Zeugenaussagen lege ich viel Wert, sie sind ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit und ich bekomme täglich ein bis zwei und bei relevanten Ereignissen ein vielfaches mehr über unsere Webseite oder per Telefon.
Nun macht mir keinen Vorwurf, wenn ich an einem Wochenende die Zeit mit meiner Familie verbringe. Dies hat hoffentlich für diejenigen mit Familie ebenso eine höhere Priorität als die Arbeit, denn für wen machen wir uns letztendlich die ganze Mühe. Ihr geht doch auch lieber erst montags zur Arbeit. Durch meinen Freund, der mir mitteilte, dass der Anrufbeantworter mit Feuerkugelzeugen besprochen und auch Mails dazu aufgelaufen waren, wurde ich also aus meinem Wochenende geholt und betrachtete sonntags eben nicht nur zwei Fotos. Ich telefonierte mit den Zeugen. Und dass ich allein mit Informationen aus Zeugenberichten umzugehen weiß, dass habe ich ja wohl schon 2007 in La Mancha bewiesen. Dort gab es keine "Geschenke", nur meine Bemühungen. Nun gehe ich zu diesen Zeugen, frage sie „unermüdlich“ bis scheinbar „ …an die Grenze der Unhöflichkeit …“, wie ich erfahren musste, aber etwas habe ich nie vergessen, mich herzlich zu bedanken, denn letztlich bin ich immer auf die Hilfe von vielen Personen angewiesen. Allein diese Gespräche sind für alle Beteiligten stets freudige und erhellende Momente mit hoher Anteilnahme am Geschehenen. Diese Augenblicke meiner Arbeit, abgesehen von dem Glücksgefühl bei einem Fund, sind viel lohnender und machen mich glücklicher, als in diesem Forum über unseren Stolz und so manche Vorurteile zu diskutieren.
Es tut mir leid, dass man Eure Leistungen im Artikel nicht würdigte. Aber das war nicht meine Entscheidung und ich hatte darauf keinen Einfluss. Dass ich inhaltlich nicht mitbestimmen durfte und damit solche Fehler wie beispielsweise: "... Deutschlands einziger Meteoritenjäger aus Profession ..." oder gar "... ist wohl der Einzige in Europa, der davon lebt..." nicht verhindern konnte, das macht mich schon traurig. Ich bin weder der Mensch auf der Welt, der die meisten, noch die größten oder seltensten Meteoriten gefunden hat.
Meiner Meinung nach wäre es Richtiger gewesen dies zu schreiben:
Grau ist der einzige auf der Welt, der von sich behaupten kann, dass er schon mehrere Meteoritenfälle kurz nach dem Fallereignis eigenständig entdeckt hat.
Ich gebe zu, das klinkt jetzt nicht bescheiden, ist aber meiner Meinung nach ein Fakt. Ich selbst beschreibe meinen Beruf nicht umsonst als - Spezialist für Meteor- und Meteoritenkunde – und nicht einfach als Meteoritensucher oder –jäger, wie es die Medien gern verkürzen. Aber wer bin ich schon, der anderen vorschreibt, wie diese mich sehen möchten.
Beste Grüße aus Bernau