Genau Mark,
die Frage auf der US-Liste war die, ob man jetzt schon als Strukturtyp "Ataxit" für Gebel Kamil in die Bulletin Database hätte aufnehmen sollen.
Einige waren dafür, andere, wie offenbar das NomCom auch, dagegen.
Eine vollständige Klassifikation eines Eisenmeteoriten beinhaltet zweierlei. Einmal die chemische Klassifikation durch Bestimmung des Nickelgehaltes und der Spurenelemente, die die Einordnung des Eisens in die generischen Gruppen ermöglicht (IAB, IIAB, IIG usw), zum andern die Bestimmung des Strukturtyps, (Hexaedrit, Feinster Oktaedrit, Breiter Oktaedrit, plessitisch, martensitisch, Ataxit usw.).
Ich habe dort gemeint, daß es eine gute Idee wäre, noch ein bisserl zu warten mit dem Eintrag des Strukturtyps, ob und was noch von diesem Eisen gefunden würde bzw. zur Untersuchung des Strukturtyps herangezogen werden könne.
Denn bisher scheint es so zu sein - ich gebe freimütig zu, wie die meisten hier im Forum, über dieses Eisen nur durch die große Ladung, die die russischen Finderkönige mit nach Ensisheim gebracht haben, sowie über mündliche Berichte der Finder bescheid zu wissen,
daß bislang von diesem Eisen samt und sonders nur Schrapnellstücke gefunden worden sind - mit einer einzigen Ausnahme, des noch erhaltenen 83kg-Stückes, das im Bulletin erwähnt ist.
Das Problem ist, daß Schrapnelle durch mechanische Beanspruchung oder durch Hitze oder durch beides ihre ursprüngliche Struktur eingebüßt haben, sodaß man an ihnen den ursprünglichen Strukturtyp nicht mehr ermitteln kann.
Das kennt Ihr ja von den berühmten Sikhote-Schrapnellen, daß wenn man die ätzt, nicht mehr erkennen kann, daß sie einmal oktaedritisch waren.
Als Beispiele, um die Situtation zu verdeutlichen, hatte ich dann die Sikhote-Schrapnelle und die Art der Canyon Diablos genannt, die man an einer Seite des Kraterrands findet, die durch die Hitzewirkung vollständig rekristallisiert sind.
Der Gedankengang war der, daß wenn man nur diese Sikhote-Schrapnelle und die rekristallisierten Canyons zur Untersuchung zur Verfügung gehabt hätte, man keinen anderen Strukturtyp für diese beiden Eisen hätte ermitteln können, als daß Sikhote und Canyon Ataxite wären. A-taxis = ohne Struktur.
(Bekanntlich ist Sikhote ein Sehr breiter Oktaedrit und Canyon ein Breiter Oktaedrit).
Alle Stücke von dem ägyptischen Eisen, die die Russen dabei hatten und die in Konsequenz auch weiterverbreitet werden, die ich bislang gesehen hab, sind extrem verformte, scharfkantige, stark zerstörte, zerfledderte Eisenfetzen - die den bekannten Schrapnellen von Sikhote überaus ähnlich sind (nein kein Mißverständnis bittschön, sie sind unverwechselbar durch ihre andere Oberflächenbeschaffenheit).
Wie stark beansprucht diese Schrapnelle wurden, konnten wir ja hier gut sehen, an den geätzen Scheiben, die im Forum vorgestellt wurden, bspw. anhand der völlig deformierten, abgerundeten, teilweise gebrochenen großen Schreibersite im Anschnitt - wenn man diese bspw mit den ähnlich großen, teilweise winklig skelettierten Schreibersitkristallen in intakten Sikhotes oder z.B. auch in Guanaco vergleicht.
Daher fand ich es gut, daß nichts übereilt wird.
Eine Bestimmung eines Meteoriten kann nur durch die Stücke geschehen, die für die Untersuchungen zur Verfügung stehen.
Insofern ist es hochinteressant zuzuwarten, ob noch intakte Stücke des neuen Eisens gefunden werden bzw. sich das bislang offenbar einzige Individual vorzuknöpfen, un nicht nur die Schrapnelle, in denen jede Struktur ausgelöscht ist.
Zwar kann man spekulieren, was solche Stücke dann zeigen werden
(das hat der "ironmet" auf der US-list wahrscheinlich wegen der Sprachbarriere mißverstanden, ich hatte dort nicht über den möglichen Strukturtyp spekuliert - klar, bei so einem hohen Nickelgehalt steht nun nicht unbedingt zu erwarten, daß es ein Breiter Oktaedrit werden kann),
doch diese Frage ist völlig ergebnisoffen. Vielleicht find sich was, vielleicht nicht - nur nachschauen sollte man mit der gebotenen Gründlichkeit.
Devise: Schaumermal - dann sehmers schon.
Denn es ist ein Problem, ist einmal eine Angabe im Bulletin festgeschrieben, läßt sie sich nur schwer bzw. sehr langsam revidieren, manchmal auch gar nicht.
(Nicht zu reden gar von der Druckversion).
Beispiele gibt es ja genug, die ähnlich gelagert sind, wie das ägyptische Eisen.
Nehmen wir bei den Eisen Seymchan her - da wurden anfangs ja nur Eisen ohne Olivine gefunden, folglich stand er Jahrzehnte als Eisen im Bulletin.
Die tüchtigen Nachfunde, die ja nun schon auch etliche Jahre her sind, brachten eben zu Tage, daß es ein Pallasit ist.
Allein hats bis vor einem Jahr gedauert, bis die Umklassifizierung letztlich dann im Bulletin festgemacht wurde.
Oder bei den Steinen - El Haggouina und seine gepairten Nummern, ein Tonnenfund mit Tausenden Bruchstücken.
Da stand eben den Klassifikateuren jeweils anfänglich nur Exemplare ohne Chondren zur Verfügung, folglich wurde er als Aubrit klassifiziert,
erst später kamen dann Stücke heraus, in denen noch Chondren enthalten waren, folglich war klar, daß es ein Enstatitchondrit ist.
Die Revision hat seine Zeit gedauert, es mußte gar eine offizielle Stellungnahme der beteiligten Klassifikateure herausgegeben werden,
teilweise weigern sich bis heute andere Klassifikateure von ihrer Aubriten-Klassifikation abzugehen - sodaß wir eine ziemliche Inkonsistenz im Bulletin haben
und El Haggouina unter verschiedenen Nummern mal als E-Chondrit, mal als AUB kursiert.
Andere Sachen, wie bspw. die eigentlich diskreditierten deutschen "Funde" Inningen und Königsbrück scheinen gleich gar nimmer wegzubringen zu sein aus dem Bulletin.
Und wenn Ihr Euch die Database mal anschaut, bei etlichen der selteneren Klassen, sind mit der Zeit durch weitere Analysen mehrere konkurrierende Typen dazugekommen, sodaß man gelegentlich drei verschiedene Klassifizen angegeben hat (+ eine Empfehlung im Bulletin, welche vorzuziehen sei).
Deswegen denk ich, braucht man bei der Festlegung über das neue Eisen nichts zu überstürzen. (warum auch?)
Mettmann