Ja Rainer,
ob man nun jeder Gao anschneiden und jeden Sikhote in die Microsonde schieben sollte,
um
absolute Gewissheit zu erlangen (die im Zweifelsfalle die magnetische Suszeptibilität auch nicht liefern kann),
mit der Zielsetzung, daß einem kein anderer Meteorit entgeht, ist eine ganz praktische Abwägungssache, ob der Aufwand für den wissenschaftlichen Erkenntniswert lohnend ist.
Da müssen wir jetzt schon feststellen, daß die weltweiten Kapazitäten bereits seit langem hint und vorn nicht ausreichen,
um dem Ansturm selbst der wissenschaftlich interessantesten Meteorite Herr zu werden,
sodaß es vielleicht nun nicht gerade das vordringlichste Interessen im Moment sein kann, herauszufinden, ob nun wirklich jeder gewöhnliche Chondrit mit dem gewöhnlichen Chondrit verpairt ist, für den man ihn halten könnte.
Es ist ja so, daß allein die letzten 9 Jahre Saharafunde deutlich mehr Meteorite gezeitigt haben als die 33 Jahre Antarktis zusammen.
Und dann muß man ja sehen, daß eine dichte und saubere Streufelderfassung und eine Dokumentation lege artis von den Forschern einiger Länder auch gar nicht gewollt zu sein scheint.
Du bist da ja auch tätig, das schlimmste Bsp ist derzeit der Oman. Dort hatte man ja den Glücksfall, daß der überwiegende Teil der Meteorite von Profis gefunden und ausgezeichnet dokumentiert wurde - man also eine völlig andere Infrastruktur hatte als in den Saharaländern.
Nun wird ja dort durch eine nicht sachgerechte Forschungspolitik diese ausgezeichnete etablierte und effiziente (auch den Kostenfaktor betreffend) Idealsituation ins Gegenteil verkehrt, indem aufgrund der Eigeninteressen eines kleines Grüppchens, diese Profis in die Illegalität gedrängt werden.
Mit den aus wissenschaftlicher Sicht desaströsen Folgen.
Der Oman ist gerade dabei, den Schwarzmarkt zu erschaffen, vor dem die weniger gut informierten ihres Faches immer gewarnt hatten oder fälschlicherweise angenommen hatten, daß es ihn gäbe.
Denn vorher wurden ja alle Funde sogar teilweise von ausgebildeten Geologen im Feld erfaßt, alle Steine, auch die alten gewöhnlichen Chondrite zur Klassifikation gebracht und damit der Forschung zugänglich, sowie auf dem transparenten Markt jedermann ersichtlich angeboten.
Nun werden wir den Fall bekommen im Oman, daß wesentlich weniger und wesentlich weniger wichtige Meteorite in Zukunft gefunden werden werden - die Fundzahlen des privaten Sektors gegenüber dem Schweizerisch-Omanischem Team sind jedermann bekannt bzw. im Meteoritical Bulletin bequem nachzuschlagen.
Wir werden den Fall bekommen, daß die Funde eben nicht mehr so akribisch dokumentiert werden, was die Streufeldermittlungen und etwaige Nachsuchen verunmöglicht.
Wir werden den Fall bekommen, daß die Omanmeteorite wesentlich teurer für die Forschung werden, und sie müssen ja mit öffentlichem Geld bezahlt werden, Mittel die an anderer Stelle in der Meteoritenforschung dringend gebraucht werden.
Wir werden den Fall bekommen, daß die wichtigen Omanfunde der internationalen Forschung nicht mehr in dem Maße und in der Einfachheit zugänglich sein werden wie bisher.
Wir werden den Fall bekommen, daß Omanfunde nicht mehr der Klassifikation zugeführt werden, so wie früher und der Forschung dadurch verloren gehen
und wir werden den Fall haben, daß Omanfunde zu NWAs umgewidmet werden, sodaß sie dem Sultanat Oman verloren gehen.
Diese Entwicklung wird sogar noch extra befeuert, siehe die versuchte Intervention des Omanteams bei der Meteoritical Society, nur noch die vom Oman-Schweiz-Team gefundenen Meteorite anzuerkennen.
Also den aller überwiegenden Teil aller Omanfunde von der Forschung auszuschließen und darüberhinaus dem Oman als Naturerbe oder Kulturgut zu entziehen - denn bislang konnten diese Meteorite einfach und kostengünstig erworben werden;
wenn sie nicht mehr erfaßt werden dürfen, dann sind sie verloren.
Rainer, Du kennst es ja, Du bist da ja auch tätig, es hat ja schon angefangen. Das eine Grüppchen, das seine Omanfunde aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen sich nicht mehr traut, sie ordnungsgemäß zu klassifizieren und zu veröffentlichen und sich lieber daheim in den Schrank legt.
Ich mein, nur als schlimmstes Bsp: der eine 5.5kg Mond aus dem Oman - das hat es in der Geschichte der Meteoriterei noch NIE gegeben,
daß von einem planetarer Meteoriten nach drei Jahren noch keinerlei Daten veröffentlicht sind, daß er noch nicht über die Forschungsgruppen über den Globus verteilt ist, daß die Felddaten verschleiert werden und Stücklein davon aus dem Rucksack heraus verkauft werden.
Du siehst also Rainer, daß dem, was Du bemängelst, und was ja auch wünschenswert wäre, von seiten der Forschung keine besondere Bedeutung momentan zugemessen wird
und daß sogar in Einzelfällen, und der Oman ist ein ganz besonders tragischer, die wissenschaftlich fundamentale Arbeit, von einigen Forschern, die auf dem wichtigen Teilgebiet ihrer Disziplin, nämlich wo die Meteorite überhaupt herkommen, nicht kompetent genug sind bzw. schlecht ausgebildet zu sein scheinen, torpediert und verunmöglicht wird.
Nun gut, das andere Feld ist die Sahara - da kann man ja in den Publikationen wühlen, bis man schwarz wird, man findet nichts, daß sich die Meteoritenforscher in Algerien, Libyen, Marokko jemals ernstlich darum bekümmert hätten, Meteorite zu finden und Felddokumentationen zu erstellen. Noch daß überhaupt Mittel dafür bei den Universitäten eingestellt worden wären.
Australien ist ähnlich wie Oman - da ist die Meteoritenforschung durch unsachgemäße Gesetze praktisch vollständig zum Erliegen gebracht worden - und das steht uns auf dem NWA-Sektor unmittelbar bevor.
Nun gut. Auf dem NWA-Sektor hat sich ja eine relativ gute Infrastruktur herausgebildet, die diesen Boom der in der Meteoritenwissenschaft dieser Dekade ausgelöst hatte,
indem zwar die Funddaten nicht erfaßt werden, weil man halt nicht jeden Ziegenhirten mit Kamera und GPS ausrüsten kann,
(was im Übrigen dann wiederum Aufgabe der Forschung wäre, wenn man selbst nicht mal in der Lage ist, Suchteams zu unterhalten.)
Und hier haben wir eine relativ sehr hohe Dichte bei den meisten Achondriten, Kohligen und sonstigen Exoten, bei den Planetaren sowieso fast vollständig, bis auf ein paar Popelchen der Frischmarsgruppe - daß die der Klassifikation zugeführt werden.
Das ist möglich, durch die gute Infrastruktur, die die Funde von dem einzelnen, der sich in der Sahara bückt, einen verdächtigen Stein aufzuheben nach Marokko kanalisiert und durch die Hände hochspezialisierter und erfahrener Leute geht, die sehr gut in der Lage sind, die Spreu vom Weizen zu trennen und die Meteorite zu erkennen und derer die meisten eine größere Vielfalt und Menge an Meteoriten in der Hand gehabt haben als die meisten Forscher, sodaß sie sich große Kompetenz erworben haben - und so letztendlich die wichtigsten und die allermeisten Funde, die über verwitterte äquilibrierte gewöhniche Meteorite hinausgehen, in der Forschung, den Universitäten und den Museen landen.
So wird der Mangel an Felddaten zumindest aufgewogen dadurch,
daß diese Funde überhaupt erst gemacht werden und noch einmal, daß an Material wesentlich mehr als alle offiziell und öffentlich finanzierten Expeditionen in 200 Jahren zusammengetragen haben zusammengefunde wurde
und daß diese Funde der Forschung nahezu zum Nulltarif zugänglich sind, also wenn man mit den Kosten für und der Ausbeute der Antarktiscampagnen, von Euromet, den Schweizer Teams ect. rechnet,
der Forschung und der öffentlichen Hand theoretisch insgesamt mittlerweile mehere Milliarden Euro an Beschaffungskosten erspart blieben und bleiben.
Gut, nach Ermessen einiger Sonderlinge, die Namen sind ja bekannt, sollen nun auch die Saharafunde nach Möglichkeit komplett unterbunden werden.
Das heißt, Rainer, die Zuordnung der Funde nach Pairings, die läuft im Grunde ja nicht weg. Momentan ist eben noch Erntezeit in der Forschung und die Prioritäten so gesetzt, daß an den aufregendsten Neufunden, die den größten Erkenntnisgewinn und Fortschritt in der Diszipin verheißen, gearbeitet wird. Und das ist auch gut so.
Wenn dann die Derwische die Vertreibung aus dem Paradies abgeschlossen haben werden, bleibt genügend Zeit, die Funde wieder zusammenzusetzen - denn dann werden die Institute ja kaum mehr neues Material zum Erforschen bekommen.
Ob man sich dann auf Sachverstand, Empirie und Vernunft zurückbesinnen wird...
Vielleicht ists dann schon zu spät.
Ich versteh nur nicht, warum man vorher alles kaputtmachen und ruinieren muß.
(und sich soviele Forscher es sich gefallen lassen, daß ein paar Ihrer Kollegen ihre Disziplin an den Rand des Abgrunds treiben).
Egal, die Sammler können ohne Meteorite leben. Obs die Forscher können, muß sich weisen.
>Wer einen nicht untersuchten Meteoriten unter einem bestimmten offiziellen Namen<
Das Problem ist übrigens der IMCA bewußt.
Bei den NWAs, also dem wichtigsten Sektor der modernen Meteoriterei, ist ihren Mitgliedern das sogenannte "Selfpairing" nicht gestattet und ordnet ein Mitglied einen unklassifizierten Stein einer möglichen Klasse zu, so muß es kenntlich machen, daß diese Einordnung allein auf seines eigener Einschätzung oder Vermutung beruht.
Und das wird auch aktiv von der IMCA verfolgt und von aufmerksamen Mitgliedern, aber auch Nichtmitgliedern werden ihr solche Fälle zugetragen.
Das ist ein gangbarer Weg, denn so bleibt es dem möglichen Käufer überlassen, nach seiner Einschätzung der Erfahrung und Kompetenz des Anbieters sich zu entscheiden - also auf deutsch, wenn ein Ralew, ein Farmer, ein Fectay sagt, daß es sich bei einem Stein seiner Ansicht nach um einen Eukriten, einen CK oder sonstetwas oder um ein weiteres Exemplar eines bereits bekannten Fundes handelt, so wird das für einen möglichen Käufer ein anderes Gewicht haben, als wenn Frau Schluppkoweit beteuert, der Stein aussem Vorgarten sei ein Stein aus dem Mare Imbrium oder der Esoterikhändler auf der Messe, das Mekong-Eisen-Pendel sei ein Nantan oder der Fossilienmarokkaner, der schwärzliche Chondrit sei ein CI.
Zudem müssen die IMCA-Mitglieder die Steine sowieso zurücknehmen, stellte sich später heraus, daß sie mit ihrer Einschätzung falsch lagen.
Nun gut. Wie gesagt, jeden Gao, Sikhote aber auch jeden West, von einem Experten untersuchen zu lassen, das wäre theoretisch zwar möglich - es würde aber die Meteorite insgesamt explosionsartig verteuern,
so gilt halt, wie überall im Leben, kenne Deine Pappenheimer. Wobei anzumerken ist, daß es wohl kein Sammelgebiet sonst gibt, daß so strenge Sicherheitsreglementierungen aufweist und ein solch dichtes Monitoring, wie die Meteorite.
Fertig ist das Wort zum Samstag.
Martinus