Anbei einige terrestrische Alter einer Auswahl von Steinmeteoriten:
JaH 078 (Oman) ~18.700 Jahre
SAU 001 (Oman) ~ 8.400 Jahre
Dho 005 (Oman) 176.000 Jahre
Terrestrische Alter einiger Eisenmeteoriten:
Tamarugal (Chile) >1,5 mio. Jahre
Keen Mountain (USA) ~ 1300 Jahre
MIB 03002 (Miller Butte, Antarktis) ~610.000 Jahre
Shisr 043 (Oman) <10.000 Jahre (Reste von Schmelzrinde)
Muonionalusta (Schweden) >800.000 Jahre
Dronino (USSR) > 1.000 Jahre
Henbury (Australien) ~ 4.200 Jahre
Was fällt als erstes auf? Richtig, das äußere Erscheinungsbild korreliert in auffallend vielen Fällen nicht mit dem irdischen Alter. Der Verwitterungsgrad ist deshalb kein guter Indikator für das irdische Alter von Meteoriten. Deswegen wird das irdische Alter von Meteoriten ja auch nicht nach dem W-Grad oder einem Blick in die Kristallkugel vergeben, sondern am Zerfall kosmischer Radionuklide gemessen. Der Verwitterungsgrad hängt stark von der Klimazone, der Beschaffenheit des Fundhorizontes und einer Reihe klimageschichtlicher Faktoren ab, die gerne außer Acht gelassen werden.
Der äußere Anschein sagt uns also nichts über das absolute terrestrische Alter. Man kann ihn aber heranziehen, um etwas über das relative terrestrische Alter auszusagen, etwa im Vergleich zu einem anderen Objekt ähnlicher Beschaffenheit das vom selben Fundort stammt. Mangels fehlender Dokumentation tappen wir was das neue Eisen angeht, diesbezüglich aber leider im Dunkeln. Da die für die Konservierung von Meteoriten in situ entscheidenden topografischen und geologischen Gegebenheiten in der Sahara binnen weniger Kilometer abrupt wechseln können, ist es durchaus möglich, dass zwei gleich alte Eisen, die wenige Kilometer voneinander entfernt gefallen sind, stark unterschiedlich verwittert sind. Mann kann ohne konkrete Kenntnis des Fundortes also auch über das relative Alter nur spekulieren.
Folgendes lässt sich aber sagen:
1. Die Korrasionserscheinugen am neuen Eisen sind deutlich stärker ausgeprägt als bei Ziz
2. Der Materialverlust durch Abrasion ist wesentlich höher als bei Ziz
3. Die Anzeichen chemischer Verwitterung sind stärker als bei Ziz
Da der Korrasionsgrad mit der Zeit korreliert, die der Meteorit dem Windschliff ausgesetzt ist, kann man schließen, dass die neuen Funde wesentlich länger exponiert waren als die Ziz-Eisen. Normalerweise geht das auch mit einem höheren terrestrischen Alter einher.
Normalerweise, muss aber nicht. Theoretisch ist es sogar möglich, dass Ziz trotz des frischeren Erscheinungsbildes einen wesentlich älteren Fall repräsentiert. Dazu muss man wissen, dass die allermeisten Wüstenmeteoriten über lange Zeit einsedimentiert waren, was der Hauptgrund dafür ist, dass wir uns heute noch an ihnen erfreuen können. Die Gebiete in denen wir sie heute finden, sind aktuell Erosionszonen. Zum Zeitpunkt des Falles bzw. zwischen Fall und Gegenwart waren diese Gebiete jedoch einmal Sedimentationszonen. Und dabei reden wir nicht von Zentimetern, sondern von einer Mächtigkeit der Bodenbedeckung von mehreren Metern über heutigem Niveau. Ich führe das jetzt nicht aus, unten ist die entsprechende Literatur angehängt. Die Masse/Eindringtiefe eines Meteoriten spielt also keine Rolle für die hier diskutierten Fragen. Einsedimentiert überstanden die Meteoriten auch die humideren Klimaphasen der Sahara.
Aber zurück zum Thema. Man nehme nun an, dass Ziz zum Zeitpunkt x fällt und durch akkumulierenden Boden einsedimentiert wird. Dann, nach x + 15.000 Jahren fällt unser neues Eisen. Es wird kaum noch einsedimentiert, da sich das Klima gerade wandelt, die westliche Sahara wird arider, die Bodenbedeckung durch Vegetation, die den Löss bisher gebunden hat, verschwindet und es beginnt die Erosion.
Angenommen diese schreitet mit ca. 1cm /10 Jahre voran, mal mehr, mal weniger stark, aber stetig. Nach knapp tausend Jahren wird unser neues Eisen freigelegt und wandert mit dem absinkenden Boden langsam nach unten in Richtung des heutigen Niveaus. Ständig dem Windschliff und von unten den von Andi G. geschilderten Kapillarprozessen ausgesetzt.
Im Laufe dieses Prozesses verändern die Wüstenmeteoriten nicht selten mehrfach Ihre relative Lage. Man sieht das sehr schön an durch Verwitterung fragmentierten Steinmeteoriten, deren Fragmente in den Wendekreiswüsten oft meterweit auseinander liegen. Die Winderosion kommt durch die Lageveränderung auch auf anderen als der in Fundposition windzugewandten Seite zum Tragen.
Zurück zu unserem hypothetischen Fall. Ein paar tausend Jahre später, während das „neue“ Eisen schon schwer von den Elementen gebeutelt wurde, erreicht die Winderosion jene Bodenschicht, in der unser Ziz eingebettet ist. Nachdem die erste Ecke aus dem Boden schaut dauert es noch hundert, vielleicht hundertfünfzig Jahre, bis er ganz aus seinem Ei gepellt wird, aber dann liegt er da, in alter Frische, neben dem neuen Eisen, dass sehr viel stärker mitgenommen ist.
Kurz gesagt, nicht das terrestrische Alter ist für den Erhaltungsgrad von Sahara-Meteoriten entscheidend, sondern die Dauer der Exponiertheit, das Klima während des Falles, während der Exponation, die Zusammensetzung der bedeckenden Bodenschicht etc. etc..
Nun zur Frage der Regmaglypten. Martin liegt sicher richtig, wenn er sagt, dass das neue Eisen teils schöne Regmaglypten aufweist. Das gilt aber nur zum Teil und nicht für alle Stücke. Da ich seine Exemplare nur im Bild kenne, beschränke ich mich im Folgenden auf die Exemplare, die ich in der Hand hatte. Ein Teil der hier diskutierten Strukturen ahmt Regmalypten nur nach während es sich tatsächlich um Erosionsstrukturen handelt. Es ist nämlich keineswegs so, dass „Verwitterung“ ein Eisen oder einen Stein einfach nivelliert. Eine „Verwitterung“ als solche gibt es ohnehin nicht. Eine vorwiegend chemische Oxidation in feuchtem Millieu, möglicherweise noch in Verbindung mit mechanischer Abrasion in einer Endmoräne (z.B. Muonionalusta) führt zu einem völlig anderen Erscheinungsbild wie eine Abtragung vorwiegend durch Sandschliff in einem hyperariden Millieu (wie in unserem Fall des neuen Eisens).
Gerade bei stark unebenen Flächen kommt es zu Makroverwirbelungen die den Anprall der Sandkörner kanalisieren und zu einer lokal stark unterschiedlich Abrasion führen. So entstehen „Regmaglypten“ in hartem Dolomit, etwa im zentralen Dhofar. Dadurch können aber auch Regmaglypten auf Meteoriten „aufgebohrt“ und ausgeweitet werden. Die beiden letzten Aufnahmen auf dieser Seite zeigen einen Steinmeteoriten, der durch Windschliff zu einigen schönen und sehr tiefen „Regmaglypten“ gekommen ist:
http://www.niger-meteorite-recon.de/de/desert_meteorite_search_8.htm Bei Eisenmeteoriten vollzieht sich dieser Prozess naturgemäß langsamer.
Dieses Phänomen tritt insbesondere dann auf, wenn es sich um einen inhomogenen Körper, zusammengesetzt aus unterschiedlich harten Komponenten handelt. Genau das ist bei dem neuen Eisen der Fall. Auf den Bildern der 1873g Masse ist sehr schön zu sehen, wie es dadurch zu einer Skelettpräparation kommt:
http://www.niger-meteorite-recon.de/de/meteoriten_verkauf.htm Muldenförmige Vertiefungen entstanden an diesem Stück insbesondere dort, wo silikatische Komponenten zu Tage treten. Dass es sich insbesondere bei den kleineren Strukturen nicht um Regmaglypten sondern um Erosionsgruben (oder wenn man so will „Korrasioglypten“) handelt, sieht man auch am Verhältnis der Größe dieser Strukturen zur Größe des Meteoriten. Sie sind teils deutlich kleiner als man das bei Regmaglypten auf einem solchen Handstück erwarten würde.
Nun handelt es sich bei der Korrasion aber nicht nur um ein einfaches „Sandstrahlen“. Es kommt dabei auf Steinen und Eisen auch zu einigen komplexen chemischen Reaktionen mit den Umgebungsmineralen, die noch weitgehend unverstanden sind.
Damit die genannten Prozesse, die an den neuen Eisen ablesbare Wirkung entfalten, müssen sie über sehr große Zeiträume wirken. Ich verweise auf das oben genannte Beispiel Shisr 43, das Eisen, das trotz eines terrestrischen Alters von 10.000 Jahren noch deutliche Spuren von Schmelzrinde zeigt. Zwar ist der Oman nicht die nordwestliche Sahara, dennoch entstanden die dortigen Aggregationsflächen unter den gleichen Bedingungen. Ich halte deshalb ein vergleichsweise hohes Alter für zumindest plausibel und es würde mich nicht überraschen, wenn das neue Eisen deutlich älter sein sollte.
Literatur:
Detlef Busche (1998) Die zentrale Sahara. Oberflächenformen im Wandel, 1. Aufl, Gotha : Perthes, 1998
J. Schlüter et al. (2002) The Dar al Gani meteorite field, Meteoritics & Planetary Science 37, 1079-1093.
Hofmann, Beda et. Al.: Meteorite accumulation surfaces in Oman. In: 4th Swiss Geoscience Meeting, Bern 2006