Hallo Bernd,
ich staune gerade, mit was Du Dich da beschäftigst. Das hätten wir auch mal beim Stammtisch klären können. Naja, jedenfalls bevor der Geist im Glas ist und der Alk im Hirn ...
So wie ich es gelesen habe, ist es Dir bis her nicht gelungen, eine wirklich beantwortbare Frage zu stelle. Du haust so viele verschiedene Dinge in einander, daß man dabei dumm da steht und erst einmal schaun muß, was Du eigentlich fragen wolltest.
Ich meine damit, daß niemand darauf antworten kann, wenn Du uns fragst: Ich als Berliner sage, alle Berliner lügen. Stimmt das?
Darüber könnten wir Tage lang debattieren, aber das wollen wir ja gar nicht. Dein Problem war es, Du kennst die Randbedingungen nicht, die zu einem Ereignisablauf dazu gehören, aber Du willst wissen: Geht das?
Okay, das mit der Höchstgeschwindigkeit 70-75km/s kenne ich auch so, obwohl hier noch zu klären wäre, wie weit die Anziehungskräfte der Sonne wirklich reichen und welche Bahnänderungen ein Meteoroide während des Fluges bis zur Erde noch erleiden mußte. Das die eintreffenden Meteorite allerdings im Mittel 15km/s Eintrittsgeschwindigkeit haben sollen, daß kann niemand so ohne explizite Einschränkung behaupten, denn die Leonidenstürme würden den Mittelwert für sich einnehmen. Ja denn auch die stink normalen Meteore werden von Meteoroiden erzeugt, auch wenn diese recht klein sind. Es gibt ja auch noch die teleskopischen Meteore ... lassen wir das lieber.
Vielleicht meinte damals Martin eine mittlere Eintrittsgeschwindigkeit jener Meteoroide, die letztlich zu einem Meteoritenfall geführt hatten? Ich weiß es nicht! Doch jene Werte für solche Eintrittsgeschwindigkeiten sind praktisch nicht zu messen, sondern nur zu berechnen. Naja der Beginn einer Leuchterscheinung (Meteor) muß ja auch nicht zwangsweise der Beginn der Abbremsung sein. Das heißt, wenn eine Meteor-Kamera ein Ereignis erst ab -4mag scheinbarer Helligkeit aufnehmen kann, dann vermißt diese Apparatur nur die scheinbare Abbremsung des meteoroiden Objekts ab genau jenem Zeitpunkt, aus Perspektive der Kamera. Ob dieser Punkt nun in 120km Höhe oder erst bei 70km über dem Grund lag, wird ja später versucht zu berechnen, mit mehr oder weniger großem Erfolg. Man braucht außerdem dazu simultane Aufnahmen aus verschiedenen Beobachtungsorten. Dummerweise sind meist alle Aufnahmen eines Ereignisses von sehr unterschiedlicher Qualität. Anfang ist eben nicht gleich Anfang und man kann nur noch interpolieren, welche Werte am besten passen.
Fakt bleibt jedenfalls auch, die Erdatmosphäre und seine gebundenen Teilchen sind auch in 400km Höhe noch zu spüren, sonst müßten jene Satelliten in dieser Flughöhe nicht ständig ihre Triebwerke zünden, um ihre Bahnlage zu korrigieren. Weiterhin wird es für einen Meteoroiden sehr schwer eine sichtbare Reaktion zu erzeugen, wenn er sich in einem schon ionisiertem Plasmafeld befindet, wie es die Hochatmosphäre der Erde nun mal ist. Damit könnten kleinste Eindringlinge durch Kollisionen abgebremst werden, ohne je ein Rekombinationsleuchten zu erzeugen - also kein Meteor, weil die Materie einfach im ionisiertem Zustand verbleibt, eben genauso wie die Hochatmosphäre.
Ich gehe aber davon aus, Du meinst die großen Meteoroide, die zu einem Meteoritenfall führen könnten. Also wir sprechen dann nur noch über Feuerkugel-Typ1 und möglicherweise noch Typ2. Deren Eintrittsgeschwindigkeit wird aus Trägheitsgründen erst unterhalb von 80km Höhe über der Erdoberfläche signifikant verändert. Die Statistik sagt aus, Mittlere Eintrittsgeschwindigkeiten liegen zwischen 15-25km/s. Gemessener min. Wert ich glaube bei 11km/s und max. 72km/s im European Fireball Network. Ich habe mal schnell in einer alten Liste nach geschaut min. 11,6km/s max. 71,9km/s ... aktuellere Daten müßte Dieter kennen.
Gut Bernd, kommen wir mal zu deinem dahin dümpelnden Meteoroiden. Egal was als Anfangsbedingung zum Meteoroiden festgelegt wird, das Doppelplanetensystem Erde-Mond hat ein Gebiet für sich in Anspruch genommen. Diese nicht kugelige Sphäre nennt man Hill-Sphäre. In diesem Gebiet bestimmt die Anziehung des Erde-Mond-System wohin das eindringende Objekt geschickt wird. Wenn man ein Objekt genau auf dem Rande dieser Hill-Sphäre aussetzen würde, und zwar mit 0 relativ Geschwindigkeit zum Schwerezentrum Erde-Mond, dann würde tatsächlich der Meteoroide erst torkelnd und später immer straffer in Richtung Erde stürzen. Die Folge wären bei relativ ungestörtem Anflug das erreichen der 2. kosmischen Geschwindigkeit (jene für die Erde) beim Eintritt in die Erdatmosphäre und das sind 11,2 km/s. Möglicherweise erreicht das Objekt die Erde aber nie, denn der Mond hat ja auch eine eigene Hill-Sphäre, welche die Erdeigene-Hill-Sphäre "gelocht hat". Ja selbst ein Schwungholen am Mond wäre denkbar und dann könnten wir wieder die 11,2km/s vergessen, denn es wäre nun mehr. Ups, wenn das Objekt in diesem Falle die Erde verfehlt, dann kommt es nicht so schnell wieder, denn es kann die Hillshäre Erde-Mond verlassen. Die Welt ist kompliziert.
Genau genommen hätte auch der Eindringling eine Hill-Sphäre oder anders gesagt wird der Meteoroide einen Beitrag zur Anziehung und somit zur Endgeschwindigkeit liefern, doch ist dieser Beitrag so gering, das er gegen Null geht, denn wir sprechen hier von Minikörpern und nicht von planetaren Objekten.
Die Massenbeschleunigung von 9,81m/s² gilt nur bei N.N. auf der Erdoberfläche. In 100km Höhe haben wir nur noch 9,51m/s², in 1000km -> 7,33 , 10000 -> 1,48 , 100000 -> 0,04 ...
Eintrittsgeschwindigkeiten unter 11km/s sind nur für Objekte aus einer Erdumlaufbahn heraus möglich, auch direkt vom Mond her könnte gehen. Möglicherweise würde ein "negatives" Swing-By-Manöver eines Meteoroiden zu einem Geschwindigkeitsverlust von bis zu 7,9km/s führen. Keine Ahnung, ich bei kein Flugbahnberechner, aber nach meinen Verständnis käme dies einem Einschuß in eine Erdumlaufbahn gleich. Statistisch gesehen ist die Change für so eine Situation aber bei Null ... schätze ich mal. Und danach müßte es ja noch irgendwie abstürzen ... vielleicht durch jahrelanges durchfliegen der Hochatmosphäre? Eintrittsgeschwindigkeit sollte letztendlich bei 7-9km/s liegen (ca. 1. kosmische Geschwindigkeit für die Erde) ...
Gruß Thomas