Autor Thema: Astronomisch nutzbare Feldstecher  (Gelesen 7172 mal)

Offline gsac

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Astronomisch nutzbare Feldstecher
« am: Mai 16, 2008, 00:36:08 Vormittag »
Um es vorauszuschicken - ich hatte mal vier, jetzt habe ich noch drei! Verkauft habe
ich schon vor weit mehr als einem Jahrzehnt meinen 14x100 "Wachter Gigant", ein
sehr lichtstarkes, aber auch extrem schweres Instrument, welches man sinnvoll
eigentlich nur mit einem Stativ benutzen kann. Das hatte ich nicht, also gab ich
das Glas weiter. Man "braucht so etwas einfach nicht", um es mal lax zu formulieren,
es sei denn, man investiert halt in ein solides Stativ, aber inzwischen gibt es am
Markt auch bessere Zwischengrößen.

Gerade eben habe ich mein 22x80 "Tordalk" (Beck Kassel, gibt es längst nicht mehr!)
hervorgekramt, weil es sich mein Arbeitskollege, der Hobby-Ornithologe ist, mal für
"die Praxis" ausleihen möchte. Klassiker in einem schönen ollen Lederköcher, den gäb
ich niemals her und mit dem hab ich schon oft in den Nachthimmel geschaut. Läßt
sich gerade noch gut freihand halten und liefert tolle Bilder. Ein klasse Klassiker halt,
auch riecht es schön edelalt, wenn man den Köcher nach Monaten mal wieder öffnet! :-)

Dann hab ich noch ein gummiarmiertes 8x56er Dachkantglas in meiner Stader Wohnung,
welches leicht ist und universell einsetzbar. Herstellerfirma weiß ich gerade nicht. Ein
Universalglas, unverwüstlich! Ohne Köcher, war für das Glas in den Achtzigern wohl
schon nicht mehr üblich...

Und ein tolles olles 7x35er Glas mit sagenhaften 11.0 Grad Gesichtsfeld und kaum Rand-
verzeichnung, aus Japan, auch schon historisch, aber qualitativ astrein. (PS: irgendwie
ist mir so erinnerlich, waren die frühen japanischen Optiken alle als "unrein" verschrieen,
aber das hat sich wohl sehr gewandelt in den letzten ein, zwei, oder gar drei Jahrzehnten).

--->> Frage vom Meteoritensammler, der von der Astronomie herkommt, hier an dieser Stelle,
und an die Astro-Experten oder auch nur -laien:

Ich habe die Vermutung, ein 10x50er ist der ideale transportable Feldstecher-Klassiker, wenn
man mal am Himmel spazieren gehen möchte, oder? Oder eben sowas wie mein 8x56er, oder eins
der weitverbreiteten 7x50er. Man will doch schließlich als (u. a.) HED-Meteoritensammler sich
auch mal deren Mutterkörper anschauen... :-)! Womit macht man das am besten in der Praxis?
Konrad? Mettmann? Herbert? Und andere Astro-Freunde.., sagt piep..

Ist ZEISS eigentlich immer noch das Nonplusultra, oder haben die Fujinons etc da inzwischen
qualitativ gleichgezogen? Wer kann das beurteilen? Gibt es aktuell einen ultimativ empfehlens-
werten Klassiker? Und wenn er von ZEISS wäre, käme er dann aus Jena oder aus "dem Westen"?
MetGold, kannst Du als von mir vermuteter Experte auch auf diesem Gebiet was (wertneutrales)
dazu sagen?

Frag nur aus Interesse, habe weder vor, eins meiner Gläser zu vakoofen noch beabsichtige ich,
mir ein aktuelles High-End-Gerät zuzulegen, da würde ich lieber im Mikrobereich für die Dünn-
schliffe in ein gutes Mikroskop investieren usw, aber trotzdem halt einfach mal gefragt und hier
mal in der Astroecke nen Feldstecher-Thread eröffnet....

PS: in der Wendezeit hat es wohl, wie ich aus berufener Quelle erfuhr, einen erheblichen Transfer
qualitativ sehr hochwertiger Jena-Optik-Ware in den Westen gegeben. Ich weiß das vom Hörensagen
und habe derlei selber nicht erlebt bzw an solchen Transaktionen teilgenommen. Das nur am Rande.
Und dies ist inzwischen auch wohl längst Schnee von gestern, da wächst garantiert nichts mehr nach.

Alex

(Wer übrigens ein gutes gebrauchtes Mikroskop mit Polfiltern hat, kann sich ja gern mal melden,
auf Dauer würde ich mein russisches MBC-10, obwohl sehr solide, schon durch was Besseres ersetzen,
mit einem guten Namen und vor allem mit hervorragender Qualität. Als Neugerät ist so etwas für den
Sammler, der im üblichen Segment tätig ist, ganz einfach nicht bezahlbar..)
« Letzte Änderung: Mai 16, 2008, 01:36:27 Vormittag von gsac »

Offline paragraf

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Re: Astronomisch nutzbare Feldstecher
« Antwort #1 am: Mai 16, 2008, 02:15:42 Vormittag »
Hallo Alex,

such nicht immer nach dem heiligen Gral... seit ich durch das Leitz-Stereomikroskop unserer Institution aus den 20er Jahren geschaut und meinen Augen nicht getraut habe, steht für mich fest: Es gibt Dinge, die kann man seit dem einfach nicht verbessern, eben: Leitz und Zeiss, die Bahnhofsuhr, Spiegelei auf Brot, den Motor der Honda-Monkey (seit 30 Jahren unverändert im asiatischen Raum) oder den 1100er-Motor der Virago aus dem Jahre 1985, jetzt unverändert (!) in der Bulldog verbaut, das (frühere) BRAUN design, die Sachen von Ferdinand Porsche himself, und und und...

Gruß
Bernd   

Offline gsac

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Re: Astronomisch nutzbare Feldstecher
« Antwort #2 am: Mai 16, 2008, 03:10:27 Vormittag »
Bernd, moin erstmal, Du meinst also, man soll nicht nach dem heiligen Gral suchen, weil der ja
schon da sei mit dem guten Namen und der guten Marke? Habe ich das richtig verstanden?

Wobei ich schon glaube, bei industriellen Produkten gibt es immer noch etwas zu verbessern,
auch und vor allem im High-End-Sektor, und da können sich Zeiss & Consorten ganz gewiß
nicht auf den historischen Lorbeern ausruhen, denn auch die optische Physik macht (gewaltige)
Fortschritte! Auf google maps kannst Du Dir Berlindetails bis auf wenige Meter runterzoomen,
was glaubst Du, was das Militär inzwischen mit Hilfe ausgefeilter mathematischer, statistischer
und physikalischer Methoden aus Satellitenaufnahmen herausholt - aus immerhin pimalDaumen
200 km Entfernung! Die sehen state-of-the-art sicher auf nur ganz wenige Zentimeter genaue
Bodendetails und können wohl gar unter die Erde gucken! Im nichtmilitärischen Bereich werden die
Fortschritte aus diversen verwandten Disziplinen auch in rein optischen Instrumenten verwertet
und immer weiter verbessert werden. Insofern ist ein gutes 10x50-Fernglas von Carl Zeiss aus,
sagen wir mal, den Sechzigern, immer noch eine qualitativ hervorragende Leistung, eine Leistung
indes, die sich trotzdem immer noch optimieren läßt. Das Limit ist da, es ist allein schon durch die
Quantenoptik vorgegeben, auch wird ein Mensch nicht die 100 m in 7.42 Sekunden laufen, solange
es sich noch um die "aktuelle Variante" der Spezies handelt. Da gibt es einfach natürliche Grenzen
durch die Randbedingungen, aber diese werden halt immer weiter an die Limits gepushed, was ja
auch nachvollziehbar ist. Auf Deinen Zeiss- oder Leitz-Klassiker o. ä. bezogen: der wird immer
seinen Platz in der Geschichte als "Frontinstrument" mit gutem Namen behalten, dennoch wird es
Geräte geben, die zu ihrer ganz eigenen Zeit noch besseres abliefern. Die tragen dann halt evtl.
nicht mehr das Traditionsgütesiegel "made in Germany", oder auch nicht, wie es das ja auch mal
gab, "made in Western Germany"... Gut, das Braun-Design und die Bahnhofsuhr sind eine ganz
andere Geschichte - das ist aber weniger eine Frage der Technik als eine Frage der gelungenen
Gestaltung über die Zeitläufte hinweg. Du hättest hier übrigens auch den Porsche 911 nennen
können, in seiner optischen Grundform, oder den Jaguar E, oder den ollen Käfer, was die Auto-
klassiker angeht...

Freche Frage: lieben wir nicht ein altes, frisches Pultusk-Individual mit echtem Ward-Label???  :einaugeblinzel:

Alex


Hallo Alex,

such nicht immer nach dem heiligen Gral... seit ich durch das Leitz-Stereomikroskop unserer Institution aus den 20er Jahren geschaut und meinen Augen nicht getraut habe, steht für mich fest: Es gibt Dinge, die kann man seit dem einfach nicht verbessern, eben: Leitz und Zeiss, die Bahnhofsuhr, Spiegelei auf Brot, den Motor der Honda-Monkey (seit 30 Jahren unverändert im asiatischen Raum) oder den 1100er-Motor der Virago aus dem Jahre 1985, jetzt unverändert (!) in der Bulldog verbaut, das (frühere) BRAUN design, die Sachen von Ferdinand Porsche himself, und und und...

Gruß
Bernd   
« Letzte Änderung: Mai 16, 2008, 03:28:22 Vormittag von gsac »

Offline FrankZ

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Re: Astronomisch nutzbare Feldstecher
« Antwort #3 am: Mai 16, 2008, 13:45:45 Nachmittag »
Hallo Alex,
wenn Du ein Fernglas zum freihändigen Sternegucken unter durchschnittlich miesen mitteleuropäischen Verhältnissen mit unschlagbarem Preis-Leistungsverhältnis suchst, dann kann ich Dir ein Zeiss Jena 10x50 (mit Mitteltrieb als Dekarem, als Dekaris mit Einzelokulareinstellung bzw. auch unter dem Namen Jenoptem zu finden) empfehlen. Am besten ein neueres Glas mit MC-Vergütung. Gute Gläser bekommt man schon für 100 bis 150 Euro. Bei gebrauchten Gläsern sollte man darauf achten, dass diese inordnung sind. Häufig findet man Gläser mit Abbrüchen an den Prismen, mit Belag auf inneren optischen Flächen (kommt vom Fett, welches verdunstet) und bei neueren Gläsern entkitten sich manchmal die Objektive (sieht man deutlich). Auch dejustierte Gläser mit Doppelbild sind häufig (hier: http://www.stern-freund.de/index.php?id=21 steht auch wie man das mit etwas Geschick beseitigen kann).
Nachteilig an den Gläsern ist die fehlende Randschärfe und Streulicht. Die fehlende Randschärfe stört bei Freihandbeobachtung nicht (ich richte das Glas eh unwillkürlich so aus, dass interessierende Objekte in der Bildmitte sind, dann ist der Bildrand sowieso nicht mehr im Schärfekreis meines Auges), bei Stativbeobachtung stört das schon. Streulicht stört nur, wenn ein helles Objekt in der Nähe ist, bei Beobachtung von Sternfeldern ohne störende Lichtquelle störts nich.
Eine moderne Alernative sind diese Gläser: http://www.teleskop-service.de/Fernglas/Fernglas/7x50Marine/750Marine.htm#Marine1050 (die 10x50, 7x50 ist was für Seefahrer). Ich habe zwar noch nicht selbst durch so ein Glas geguckt, die scheinen aber (nach zahlreichen Testberichten) in der selben Klasse wie die alten Zeiss-Jena-Gläser zu spielen. Ich würde bei diesen Gläsern eine etwas höhere Transmission erwarten, da die Vergütung moderner ist. Bei diesen Gläsern wird kritisiert, dass diese zu schwer sind und das durch die Einzelokulareinstellung ein Verfolgen bewegter Objekte nich möglich ist (ein Piepmatz ist bestimmt weg, bevor man scharf gestellt hat). Beim Sternegucken stört das aber nich).
Über Ferngläser werden übrigens erbitterte Glaubenskriege geführt! - also am Besten ists mal durch verschiedene Gläser durchzugucken. Meine Meinung ist, dass ein Glas für den vorgesehenen hauptsächlichen Verwendungszweck so gut wie nötig und ansonsten so billig wie möglich sein soll. 
Selbst benutze ich freihändig ein altes Meopta 12x60 (geht grade noch so ohne Stativ) und ein Zeiss-Jena Dekarem 10x50 (ist kleiner und leichter als das 12x60 und daher öfter dabei).   
(Noch eine Bemerkung zu Pol-Mikroskopen: ich würde mir ein normales monokulares Mikroskop für die Betrachtung von Dünnschliffen zulegen, den Stereoeffekt brauchste bei flächigen Objekten nich, ausserdem beeinflussen zuviel optische Bauelemente die Polarisation.)

 :prostbier:
Frank 

Offline herbraab

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Re: Astronomisch nutzbare Feldstecher
« Antwort #4 am: Mai 16, 2008, 14:28:20 Nachmittag »
Hallo Alex,

in der jünsgten Ausgabe von "Sky & Telescope" ist ein Testbericht zu zwei Feldtechern aus chinesischer Produktion (7x50 und 10x50), und die Beurteilung ist optisch und mechanisch sehr gut. In der eben erst erschienenen Ausgabe von "Interstellarum" ist ein Testbericht zu Kompaktgläsern, das Heft habe ich aber noch nicht.

Selbst benutze ich ein TS 20x90 Fernglas (natürlich auf Stativ) und zum "Schnellspechteln" oder beim Wandern ein kleines 6x24 Fernglas russischer Herkunft (und ca.25 Jahre alt).

Grüße, Herbert
"Daß das Eisen vom Himmel gefallen sein soll, möge der der Naturgeschichte Unkundige glauben, [...] aber in unseren Zeiten wäre es unverzeihlich, solche Märchen auch nur wahrscheinlich zu finden." (Abbé Andreas Xaverius Stütz, 1794)

Offline Mettmann

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Re: Astronomisch nutzbare Feldstecher
« Antwort #5 am: Mai 16, 2008, 21:04:02 Nachmittag »
Ich würd sagen, es hängt eher davon ab, was (und wie) man sehen will.
Wenn man eh nur alle Jubeltage in den Himmel schaut, dann tuts im Prinzip jedes Glas, ausser die getönten.
Bequemlichkeit rules. Ich mein, es geht ja bei Feldstechern zum Sternschaun nicht um die Vergrößerung, sondern ums Lichtsammelvermögen. Und es hängt halt davon ab, wenn de nicht mit Stativen rummachen willst, wie regelmäßig Deine Armmuskeln aufpumpst... das Gewicht ist ausschlaggebend. Du hats keinen Genuß, wenn Dir nach einer halben Minute die Arme schmerzen oder Du am Rumzittern bist. Es geht ums ENTSPANNTE Schauen.
Ich hab drei Gläser, ein typischs 8x35, glaub Leitz 40 Jahr alt - entschieden zu lichtschwach. Ein no-name oder vielleicht doch name 8x56
und eben als die Ossis, mit Verlaub, ihre juuuuten Zeissemänner für 20-30Euro weggeschmissen haben, seitdem ein 7x50 Jena Zeiss.
Ich benutz nur noch das 7X50 Zeiss. Wesentlich leichter als das 8X56, und größere Lichtausbeute, tatsächlich. Missen mag ichs nimmer, handlich und Dir fallen die Arme nicht ab. Größere Vergrößerungen bringen Dir nix, da nimmst dann ein Fernrohr her, größere Öffnungen bringen Dir auch nix, weil zu schwer auf Dauer.
Sag ich Apodikt, alles andere ist Manierismus für Optikfans, (z.B. kannst über Beschichtungen, Linsen, Gasfüllungen usw. diskutieren was de willst, ein bisserl Dunst am Himmel oder etwas Streulicht am Standrand ist viel gravierender als diese technischen und theoretisch-praktischen Vorteile).

Ach ja, darauf sollt man tatsächlich noch achten, auf die Austrittspupille - gibt unmögliche Gläser, wost mit einem gewissen Abstand reinglotzen mußt, statts die direkt vor die Glubscher halten zu können - solche sind völlig unbrauchbar, wennst Dir nicht irgendwelche Rohrstücke dranschauben willst.

Aber das können Dir die Optikexperten besser erklären.

Ois meine private Meinung OHNE GEWÄHR.
"If any of you cry at my funeral,
I'll never speak to you again."
(S.Laurel 1890-1965)

Offline gsac

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Re: Astronomisch nutzbare Feldstecher
« Antwort #6 am: Mai 16, 2008, 21:22:35 Nachmittag »
Feine Antworten, danke! Aber wie schon gesagt, ich will mir ja gar keins kaufen, denn ich habe
schon drei (siehe mein Startbeitrag), jedes der Größe nach für ein eigenes Beobachtungssegment.
Aber ich wollte die Meinung der Experten einholen für all diejenigen Leser, die sich vielleicht mit dem
Kauf eines solchen Instruments beschäftigen. Und kam auch nur darauf, weil mein Arbeitskollege
sich gerade für seine ornithologischen Beobachtungen mein 22x80er Beck-Glas ausgeliehen hat und
ganz begeistert ist. Ich schau ja mit dem Ding eher auf den Mond, wenn ich mal Zeit hab, dafür ist
es gut auch ohne Stativ, wenn man es irgendwo anlehnen kann. Für Allerweltsguckerei ist ein 7x35
oder 7x50 oder 8x40 oder ähnlich "flachbrüstigeres" viel besser geeignet...

:auslach: Soll ich jetzt noch einen Mikroskop- und Lupenthread starten, oder gibt´s das schon?  :gruebel:

Alex

 

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