Hallo Alex!
Die Eskimos haben das Cape-York-Eisen schon über viele Generationen zur Jagdwaffen-und Werkzeugherstellung genutzt. Dieser kulturhistorische Anspruch hat ihnen aber bislang nichts genutzt. Außer einem kleinen Teilbrocken im Heimatmuseum ist ihnen nichts geblieben. Die Museen in New York und Kopenhagen werden auch gewiss nichts mehr zurückgeben. Kann mir deshalb nicht vorstellen, dass die Dänen da einen Fuß in die Tür lassen.
Momentan beschäftige ich mich mit der literarischen Geschichte des Cape-York-Eisens. Mit welchen Schlichen man den naiven Eskimos ihre Kultstücke abgeluchst hat, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den weißen Mann. Vor hundert Jahren waren die Met-Hunter (in persona: Rober E. Peary) nicht zimperlichbei der Durchsetzung ihrer ehrgeizigen Ziele. Besonders auch das naturhistorische Museum in New York hatte sich dabei unschön in Szene gesetzt.
Grüße
Gerhard
Rein objektiv kann man bei der Nutzung der Cape York Meteoriten als Rohstoffquelle keinen "kulturhistorischen" sondern, wenn überhaupt, eher einen lokalen Ressourcenanspruch ableiten. Das Interesse der Inuit erscheint mir rückblickend auch eher pragmatischer Natur gewesen zu sein, was sich ja auch in der sukzessiven Zerstörung des Meteoriten durch die Praxis der Materialgewinnung widerspiegelt. Ein Kultobjekt oder ein Heiligtum wird in der Regel auch von den Naturvölkern anders behandelt. Man muss also fairerweise in diesem Zusammenhang festhalten, dass erst Pearys Intervention die Meteoriten der Nachwelt zugänglich gemacht und diese vor weiterer Zerstörung bewahrt hat. Von der beispiellosen Leistung der Bergung und den hohen persönlichen Risiken und Verlusten, die Peary in Kauf nahm, einmal ganz abgesehen.
Dann muss man wissen, dass die Inuit per se ein sehr eigenes Verhältnis zu persönlichem Besitz hatten und vereinzelt auch heute noch haben. Außer Messer, Harpune und Boot kennt der Eskimo des 19. Jhs. kein Eigentum. Auch Landbesitz oder der Besitz auf dem Land befindlicher Güter oder Ressourcen war ihnen fremd.
Als ethnische Gruppe auf Dänischem Territorium (seit 1814) werden auch die Inuit durch die Dänischen Institutionen vertreten. Demnach ist das geologische Museum in Kopenhagen auch der adäquate Aufbewahrungsort für die dortigen Cape York Meteoriten. Daran ist meiner Ansicht nach nichts auszusetzen.
Was die Cape-York Meteoriten im Museum of Natural History in New York angeht, so besteht auch hier meines Erachtens kein ernster Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Besitzes. Peary hat die Meteoriten seinerzeit auf eigene Kosten geborgen und für 40.000 $ an das MNH verkauft. Zwar gehörte Grönland seit dem Frieden von Kiel 1814 zu Dänemark, eine Gesetzgebung, welche die Ausfuhr von Meteoriten o.ä. geregelt hätte, war meines Wissens jedoch nicht in Kraft. Nach damals geltendem Recht hat Peary sich, das scheint aktueller Konsens zu sein, keines Verstoßes schuldig gemacht. Widerspruch der Dänischen Regierung gegen die von Peary weltweit rasch bekannt gemachte Verbringung der Meteoriten ist mir nicht bekannt, an diesem Punkt lasse ich mich aber gerne belehren.
Die Polarfahrten Pearys waren eine zu großen Teilen privat, bzw. selbstfinanzierte Aktion, die unter dem Strich gewaltige finanzielle Verluste für Peary und seine Frau mit sich brachten. So kann man ihm auch keine persönliche Bereicherung unterstellen. Auch hat Peary seinerzeit Proben der Meteoriten international an alle damals maßgeblichen Institute verschickt.
Zur Rolle der Inuit bei der Bergung und Verschiffung ist anzumerken, dass die Verbringung der Meteoriten ohne die aktive Mithilfe ganzer Inuit-Dörfer (Peary spricht streckenweise von mehreren hundert einheimischen Helfern) gar nicht denkbar gewesen wäre. Gegen einen Widerstand der Inuit wäre die Einschiffung jedenfalls nicht durchsetzbar gewesen. Im zweiten Band von "Northwards over the Great Ice" bemerkt Peary, dass während der ganzen, mehr als drei Jahre dauernden Aktion, seitens der Inuit nicht ein Wort der Kritik oder des Bedauerns, sondern Zustimmung zur Einschiffung der Massen geäußert worden sei. Kritisch sehe ich allerdings den Repatriierungsgedanken, der deutlich in Pearys Bericht mitschwingt ("Bringing home of the Saviksue" etc.) und der jeglicher Grundlage entbehrt.
Bevor man jetzt leichtfertig von Kulturraub und Rückgabe spricht, gebe ich zu bedenken, dass in deutschen und europäischen Museen abertausende Artefakte und auch Meteoriten aufbewahrt werden, die über die Jahrhunderte nach geltendem Recht in anderen Ländern gesammelt, getauscht und gekauft worden sind. Stellt man diese Inventare in Frage, bedeutet das das Ende des musealen Betriebs weltweit. Die entsprechenden Häuser wären von nun an mit der Abwicklung von Rückführungen beschäftigt. Schaut man sich beispielsweise die Wiener Sammlung an, müssten ca. 98% aller Meteoriten an ihre Ursprungsländer zurückgegeben werden, inkl. Cabin Creek. Für die privaten Sammlungen gilt natürlich dasselbe.
Unter dem Gesichtspunkt des internationalen Wissenstransfers und auch unter dem Aspekt der sicheren Bewahrung von kulturhistorischen bedeutsamen Gegenständen ist eine liberale, multinationale und dezentrale Herangehensweise das einzig Wahre.
Meine 2 Cent,
Haschr Aswad
Kurze Darstellung der Quelle:
http://www.niger-meteorite-recon.de/de/Meteorite%20literature%20collection_4.htm