Hallo zusammen,
nun, hier darf nicht die heutige Verteilung der Ejecta (z. B. Suevite, Bunte Trümmermassen etc.) und die Verteilung bzw. die heutigen Fundorte der Moldavite durcheinander gebracht werden. Da haben Speul und andere Forumsmitglieder vollkommen recht.
A) Zum Rieskrater, seiner Form und die heutige Verteilung der Ejecta:Der Asteroid ist in die etwa 600 m mächtige Sedimentdecke eingedrungen, durchbrach diese und drang noch weiter ins kristalline Grundgebirge ein. Bei diesem Vorgang wurden der eindringende kosmische Körper und das getroffene Gestein hochgradig komprimiert und extrem erhitzt. Es wurde so stark erhitzt, dass es zur explosionsartigen Verdampfung der Gesteine gekommen ist. Es handelt sich also letztlich um einen Explosionskrater, der kreisförmig war. Es ist dabei unerheblich, ob der Einschlagwinkel 70° bis 80° oder deutlich flacher war. Der Krater wurde durch das explosionsartige Verdampfen der Gesteine kreisförmig herausgesprengt. Die Explosionswolke stieg senkrecht in den Himmel auf und kollabierte wenig später, wodurch z. B. die Hauptmasse der neu gebildeten Impaktgesteine (Suevit!) wieder in den Krater zurückgefallen ist. Ein relativ geringer Teil der Suevite wurde rings um den Krater abgelagert, der Hauptteil liegt noch heute im Krater. Das wurde durch verschiedene Bohrungen belegt. Die Bunten Trümmermassen wurden unter hohen allseitigen Druck herausgeschoben bzw. ballistisch ausgeworfen. Die heutige, asymmetrische Verteilung ist der späteren „Verkippung“ (als Folge des Fernschubes der noch andauernden Alpenentstehung) der Schwäbisch-Fränkischen Alb geschuldet, d. h. die Alb wurde gehoben, verkippt und es kam zu einer asymmetrischen Erosion der Ejecta. Die heutige Verteilung (südlich des Rieses: Bunte Trümmermassen, Suevite; nördlich keine oder kaum vorhandene Bunte Trümmermassen, Suevite) ist also nicht eine direkte Folge des Impaktprozesses (damals war die Ejecta sicherlich kreisförmig um den eigentlichen Einschlagkrater verteilt) sondern eine unmittelbare Folge der späteren Erosion. Die zitierte „
nach Norden offene, hufeisenförmige Einbuchtung“ gehört in die Pionierzeit der Riesforschung; also in eine Zeit, als noch eine Form des Rieskraters auf den geologischen Karten erst gefunden werden musste.
Man beachte: zum Nördlinger Ries gibt es seit der Renaissance deutlich mehr als 1600 Originalpublikationen. In der Zeit um 1820 war selbst zur Topografie (z. B. Höhenmesspunkte etc.) noch nicht viel bekannt. Das Nördlinger Ries selbst wurde spätestens ab 1833 als kreisförmige Struktur in den geologischen Karten eingezeichnet.
B) Zur Verteilung der MoldaviteÄhnlich wie zur Entstehung des Rieses gab es auch zu den Moldaviten die verschiedensten Theorien, auf welche ich hier gar nicht erst genauer eingehen möchte. Allgemein anerkannt ist, dass die Moldavite unmittelbar vor dem eigentlichen Einschlag entstanden sein müssen. Aufgrund von Altersdatierungen wurde ein direkter Zusammenhang mit der Entstehung des Nördlinger Rieses hergestellt. Geochemische Untersuchungen stellten schließlich einen klaren Zusammenhang zwischen den zur Zeit des Miozäns oberflächlich anstehenden Molassesanden, wie sie im Gebiet des Nördlinger Rieses vorhanden waren, her. Das bedeutet nichts anderes, dass es sich bei den Moldaviten um verdampfte bzw. aufgeschmolzene Molassesande der ehemaligen Landoberfläche des heutigen Riesgebietes handelte. Unstrittig ist, dass diese verdampfte und aufgeschmolzene ehemalige Landoberfläche Millisekunden vor dem eigentlichen Aufschlag des Asteroiden auf die Landoberfläche durch die extrem verdichtete Luft vor dem kosmischen Körper quasi weggedrückt wurde. Diese Phase wird als „Jetting“ bezeichnet. Die eigentliche Kraterentstehung des Nördlinger Rieses folgt erst danach. Allerdings gibt es zur Jetting-Phase auch unterschiedliche Meinungen (z. B. ob daraus eine bestimmte Richtung des Asteroiden abgeleitet werden kann, ob das Jetting nur ein eine oder mehrere Richtungen erfolgt ist etc.).
Wir vom Verein Freunde des RiesKraterMuseums e.V. haben daher Michael Hurtig im Juli 2018 (Link:
http://www.riesgeologie.de/index.php?page=jahr2018) zu einem Vortrag nach Nördlingen eingeladen. Auch dort wurde sein wirklich wunderschönes Buch und die Theorie zur Verteilung der Moldavite diskutiert. Mit viel Arbeit hat er eine Karte der primären und fluviatilen Verteilung der Moldavite dargestellt. Wie es in der Geologie häufig ist basiert diese Karte auf empirischen Daten. Ich persönlich finde die Karte sehr bestechend! Zumal praktisch primäre, tertiäre, moldavithaltige Ablagerungsschichten bisher nur östlich des Nördlinger Rieses nachgewiesen worden sind. Meiner Meinung nach ist die Karte ein sehr guter Beleg dafür, dass der Asteroid tatsächlich aus Westen gekommen ist und die Moldavite schließlich in Richtung Osten abgelagert worden sind. Total spannend wäre es jetzt noch, wenn das von Hurtig vermutete Moldavitvorkommen NW von Salzburg nachgewiesen werden könnte. Das wird aufgrund der geologischen Geschichte (Alpenfaltung, Vereisungsperioden und die damit verbundene Abtragung) wohl eher schwierig bis unmöglich. Und trotzdem, ich halte diese Arbeit für sehr nachvollziehbar und glaubwürdig. Bis sich die W-E Richtung überall durchsetzt wird es sicherlich noch etwas dauern.
Schöne Grüße aus München
Oliver
