Autor Thema: Drei Zeitungsartikel über die Steinheider Stadtgeschichte  (Gelesen 9411 mal)

Steinesammler

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Drei Zeitungsartikel über die Steinheider Stadtgeschichte
« am: März 09, 2007, 21:35:47 Nachmittag »
Viel spaß beim lesen . . .
 :weissefahne:



475-JAHR-FEIER IM HERBST GEPLANT 
Steinheid, eine „Bergstadt“

Freie Presse vom 07.07.2005 


VON THOMAS SCHWÄMMLEIN

STEINHEID – „Wir waren ja auch einmal Stadt“, sagt mit spöttischem Lächeln ein Steinheider, als sich die Touristen staunend auf dem für eine kleine Gemeinde recht großen Marktplatz umschauten. Dass die einstige Stadtwürde nicht in Vergessenheit gerät, darum braucht man sich nicht zu sorgen, denn im Herbst wird man ausführlich daran erinnern. „Wir feiern im Herbst 475 Jahre Stadtrecht“, sagt Bürgermeister Jürgen Schreppel.
Der Grund dafür ist die Erhebung der Siedlung „Unser liebe Frauen Berg auf der Steinheide“ zur kursächsischen „Freien Bergstadt“.

Zwar hat sich der erhoffte Goldbergbausegen nie eingestellt und etwa sechs Jahrzehnte nach Stadterhebung war das große „Berggeschrei“ wieder vorbei, geblieben ist aber die Erinnerung an einst glänzende Hoffnungen in Rennsteighöhe.

Was aber steckt wirklich hinter dem Stadtrecht, auf dem die Steinheider so sehr beharren und das bisweilen unter den Nachbarorten spöttische Bemerkungen veranlasst. Wenigstens im 18. Jahrhundert wollte niemand mehr so recht von „Stadt“ reden und der Obrist Christian Friedrich Keßler von Sprengseysen bezeichnete Steinheid recht vorsichtig als „Marktflecken“. Und nachdem in Sachsen-Meiningen im 19. Jahrhundert mit einer Gemeindeverfassungsreform die Unterschiede zwischen Stadt und Land fielen, da war der einstige Stadt-Status unerheblich.

Aber eine Stadt war Steinheid tatsächlich, nur eben nicht so, wie es die beiden mittelalterlichen Städte Sonneberg und Schalkau waren. Steinheid war eine Bergstadt und ist insofern auch etwas Besonderes. Bergstädte kennt man aus den Alpen, dem Siegerland in Westdeutschland, dem Harz und vor allem in Sachsen, Böhmen und Ungarn. Zeichneten sich Städte während des Mittelalters und der frühen Neuzeit durch ihre Orientierung auf Handwerk und Gewerbe aus, so waren Bergstädte von Anfang an auf den Bergbau ausgerichtet. Was in den Städten die Bürgerschaft mit einem Rat an der Spitze waren, das waren in den Bergstädten die Knappschaft und die Richter. Beide Begriffe spielten auch in Steinheid eine große Rolle. Aber alles der Reihe nach.

1362 stellte der Wettiner Markgraf Friedrich der Strenge von Meißen eine Bergwerksfreiheit für das neue „Goldwerk“ auf der „Steinen Heide“, gelegen bei der Burg Schaumberg aus. Bergwerksfreiheit bedeutete, dass der Landesherr zum Bergbau auf Gold in dieser Gegend aufrief. Zwar schwiegen sich danach die Quellen über den Bergbau zwischen Grümpental und Rennsteig aus, aber 1482 geht das Bergwerksfieber erneut um. Für die inzwischen zu Kurfürsten aufgestiegenen Wettiner, die im Erzgebirge zwar über äußerst reiche Silberlagerstätten, nicht aber über Goldbergwerke verfügten, war der Besitz eines Goldbergwerks zur Prestigefrage geworden. Weder Geld noch Personal schonte man, um im Coburger Land Gold abzubauen. Spätestens seit dem 13./14. Jahrhundert wurde in dieser Gegend Gold gewaschen und das Aufkommen neuer Goldwährungen ließen auch in Mitteldeutschland Goldbergwerke entstehen.

Zwischen 1504 und 1505 entstand eine Knappschaft, also eine Gemeinschaft der Bergleute. Schließlich wurde 1506 die Bergstadt „Unser liebe Frauen Berg“ offiziell gegründet. Mit „Unser liebe Frauen“ war die Gottesmutter Maria gemeint, deren Verehrung in den Jahrzehnten vor der Reformation eine Hochblüte erlebte, einem Trend den sich die Bergleute, mit ihrer Arbeit ganz besonders auch die auf höheren Schutz angewiesenen, nicht verschlossen haben.

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Stadtrecht
in 80 Exemplaren

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Und dann kam die Erhebung
zur „kurfürstlichen Bergstadt“. Adressat des von Kurfürst Johann von Sachsen ausgestellten und in 80 Exemplaren gedruckten Briefes war die „Gemein und Knappschaft“. In seinem Wortlaut und seinen knappen Bestimmungen unterschied er sich deutlich von dem, was in der Region gewöhnlich unter Stadtrecht verstanden wurde.

Auffallend war die unmittelbare Verknüpfung der städtischen Gemeinschaft, der „communitas“, mit dem Bergbau. Dafür finden sich die Vorbilder im Erzgebirge, in den Verfassungen solcher Bergstädte wie St. Joachimstal und St. Annaberg.

Der Historiker Karl Heinz Blaschke aus Leipzig kennzeichnet die „Bergstädte“ des ausgehenden Mittelalters als eine völlig eigenständige Stadtrechtsgruppe. Besonders deutlich werden die Parallelen zu den sächsischen Bergstädten in der 1534 erlassenen „Polizeiordnung“ der neuen Bergstadt Steinheid, die sich deutlich an den erzgebirgischen Vorbildern orientiert. Selbst der hierarchische Aufbau der Bergstadt entspricht eins zu eins den sächsischen Vorbildern. Die Geschicke leitete ein Rat mit zwei Richtern an der Spitze, die jedoch nicht nur für die niedere Gerichtsbarkeit zuständig waren, sondern in ihrer Funktion den Bürgermeistern der Städte Sonneberg und Schalkau entsprachen. Die Einwohner wurden als Bürger bezeichnet, hatten freies Verfügungsrecht über ihre Grundstücke, hatten Anspruch auf jährliche Holzabgaben, sowie durften Bier brauen und „bürgerliche“ Gewerbe ausüben. Steinheid ist damit nicht nur eine Ausnahme im Landkreis Sonneberg, sondern es ist auch die einzige „reinrassige“ Bergstadt Thüringens. Zwar wurde auch Suhl einmal als Bergstadt bezeichnet und in Städten wie Schmalkalden und Saalfeld war der Bergbau viel bedeutender als in Steinheid, allerdings über ein völlig auf den Bergbau ausgerichtetes Stadtrecht verfügten diese Städte nicht.

Auch im Ortsbild hob sich die Bergstadt deutlich von den anderen Siedlungen im Mittelgebirge ab. Trotz mehrerer Brände ist noch heute die Struktur mit zentralem Marktplatz und einem regelmäßigen Netz von Gassen zu erkennen. Die Errichtung der Bergstadt erfolgte planmäßig und löste die erste Bergbausiedlung unmittelbar bei den Bergwerken, die „Alte Stadt“, ab. Bereits 1506/07 war die neue Siedlung entstanden, in deren Ortsmitte Marktplatz, Kirche und „fürstliches Haus“ standen.

Bis ins 19. Jahrhundert hielten die Steinheider zäh an ihren Privilegien fest, wenn auch die Hoffnungen auf den reichen „Bergsegen“ ausblieben und die Steinheider sich kümmerlich von Holzarbeiten und später von der Glasindustrie ernähren mussten. Noch lange wurden Bürgermeister als „Richter“ bezeichnet und im Ortswappen blieb die alte Bergstadt in Gestalt einer Mutter Gottes bis heute lebendig.

Grund genug also für eine richtig große Feier. In Steinheid trifft sich nächste Woche der Gemeinderat, um über die Jubiläumsfeier zu sprechen. An Ideen mangelt es nicht. Bürgermeister Schreppel spricht von einem Wochenende mit Festakt, großer Feier und Ausstellungen. Alle Vereine sollen einbezogen werden und Tourismuschefin Elisabet Pauli sagt: „Da müssen wir was machen.“

Pfarrer Hubertus Lacqua wird die Räumlichkeiten der Kirche für eine Ausstellung zur Verfügung stellen. Egon Krannich, geborener Steinheider und Verleger im sächsischen Grimma, plant zwei Publikationen zum Jubiläum. „Es wird ein Buch über Gold und Steinheid geben“, erklärt Krannich, der bereits Kontakt zu örtlichen Spezialisten aufgenommen hat. Außerdem solle eine belletristische Schrift über Steinheid, die der Hildburghäuser Technikumslehrer Konstantin Kümpel vor einem Jahrhundert verfasst hat, neu aufgelegt werden.

Pfarrer Lacqua freut sich schon auf die Publikationen, denn neben einer 1992 erschienenen kleinen Schrift über die Steinheider Kirche ist bisher wenig über die Ortsgeschichte veröffentlicht worden.

Und natürlich wird insgesamt immer wieder das Thema Gold eine Rolle spielen. Vorgesehen sei, so Krannich, eine Ausstellung zum Thüringer Gold, die der Suhler Altbergbauforscher Ulrich Brunzel zusammenstellen werde.

Die Steinheider hat das Geschichtsthema voll erfasst. Elisabet Pauli findet es fast schon etwas schade, dass man erst relativ spät an das Jubiläum gedacht habe. Indessen ist der Bürgermeister schon von der Ortsgeschichte fasziniert. Er sei zwar kein gebürtiger Steinheider und müsse sich eben viel erzählen lassen, aber spannend sei die Geschichte schon. Und mit Blick auf die kursächsische Bergstadtwürde bemerkte er mit ironischem Unterton: „Ich wusste ja schon immer, dass einmal Sonneberg ein Vorort von Steinheid war.“

Steinesammler

  • Gast
Re: Drei Zeitungsartikel über die Steinheider Stadtgeschichte - Teil 2
« Antwort #1 am: März 09, 2007, 21:37:46 Nachmittag »
JUBILÄUM STEINHEID
Dem Edelmetall mag der Ort sein Stadtrecht mitverdanken – doch die großen Erträge blieben letztlich aus
Mehr Glück mit Glas und Schiefer als mit Gold

von THOMAS SCHWÄMMLEIN

Freie Presse vom  20.10.2005


„Zwischen Rennsteig und Sonneberg“ heißt der Titel, einer 1983 erschienen heimatkundlichen Bestandsaufnahme zwischen Schaumberger Land und Rennsteigregion. Ein Autorenkollektiv widmete sich seinerzeit einer ausführlichen Darstellung der geographischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen. Das nachfolgende Kapitel über Steinheid ist dem im Berliner Akademie-Verlag erschienenen Buch entnommen.

STEINHEID – „Von der Fernverkehrsstraße 281 Saalfeld-Neuhaus-Eisfeld bietet sich ein instruktiver Blick auf Steinheid am Hang des Kieferle. Der Ort, eines der typischen Industriedörfer des südöstlichen Thüringer Waldes, zieht sich in etwa 800 Metern Höhe auf einem Hochflächensporn als lange Zeile in Anpassung an das Hangrelief hin. Während das alte Dorf weiter westlich nach dem Tal der Grümpen zu auf dem Flurstück Altstadt gelegen haben soll, stellt der größte Teil des heutigen Steinheids ein bebautes Straßenviereck mit dem Markt in der Mitte dar.

Häuser mit Schieferdächern und -verkleidung prägen das Ortsbild. Die Schiefer sind zum Teil zu originellen Mustern oder weiß bzw. grau abgesetzten Zierleisten an Fenstern und Türen zusammengesetzt. Leider ersetzt allmählich Surrogatmaterial aufgrund des immer knapper werdenden Schiefers diesen äußerst wirksamen Wetterschutz. Die Schieferbauweise gewann vor allem nach dem letzten Brand von 1804 stark an Bedeutung, als an die Stelle der vorher schindelgedeckten Häuser und der „zum Teil armseligen Hütten“ bessere Wohngebäude traten.

Die bescheidene spätbarocke Kirche wurde 1789 bzw. 1835 erbaut. Von ihrer Vorgängerin, die Brände und Stürme wiederholt in Mitleidenschaft zogen oder zerstörten, blieben Reste am Westportal und an der Südwestfront erhalten: ein verwittertes Wappen der Bergstadt Steinheid, die Gesetzestafel und das sächsische Wappen.
Steinheid verdankt seine Entstehung der Lage an einem wichtigen Gebirgsübergang und dem Bergbau. Abgebaut wurden die goldhaltigen Quarzgänge der Frauenbach-Serie um den Ort sowie in den Tälern der Grümpen und Göritz.
Wenn die Markgrafen von Meißen als Landesherren der Pflege Coburg bereits 1362 allen Interessenten bergmännische Rechte und Gewohnheiten für „unser gebirge und goltwerk zu Steinheide, gelegen by Schowenberg“ garantieren, so ist hier eher an einen Forstort mit Gruben als an eine Siedlung zu denken. Die Lagebezeichnung und die Zugehörigkeit des alten Steinheids zur Pfarrei Schalkau lassen es weiterhin als sicher erscheinen, dass das dortige Waldgebiet ursprünglich zur schaumbergischen Herrschaft gehört hatte, wegen des Goldvorkommens aber frühzeitig an die von Osten her vordringenden Henneberger oder Wettiner verloren gegangen war.
 
Schon 1506 ist von alten Gruben und alten Schächten die Rede, und offenbar gehörte auch das sagenumwobene „Wüste“ Adorf (Adruff) in einem schluchtartigen Tal zwischen Petersberg und Kieferle zu den Orten mit frühen Bergbaustollen.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte dann – vielleicht erneut – ein verstärkter Goldbergbau ein, von dem die ältesten Nachrichten von 1482 vorliegen. Bergleute aus Böhmen, Sachsen und Ungarn kamen ins Land. Nach dem Bau von festen Unterkünften wurde im Jahre 1506 die Siedlung Unser lieben Frauen Berg gegründet und Bergbau im Tal der Grümpen betrieben. 1507 entstand eine Kapelle; 1528 wurde Steinheid zur Pfarrei für das Kammgebiet des Waldes und 1530 zur Freien Bergstadt erhoben, ohne aber das Stadtrecht wirklich ausgeübt und eine Stadtverfassung eingeführt zu haben. Das Wappen von Steinheid trägt, abgeleitet vom 1506 verliehenen Gemeindesiegel, die bildliche Darstellung der Jungfrau Maria. Darunter steht als Wahrzeichen der Freien Bergstadt ein Schild mit Schlägel und Eisen.

Nach dem vorübergehenden Rückgang des Goldbergbaus bei Erschöpfung der oberen Quarzlager um 1509 blühte unter ungarischen Bergmeistern seit 1525 das Montanwesen wieder auf. 1544 arbeitete man in Schächten und Stollen bis zu 300 Meter Tiefe mit Entwässerungsanlagen an der Schiffskuppe unmittelbar westlich von Steinheid. Obgleich zeitweise bis zu 50 Zechen betrieben wurden, entsprach die Ausbeute nicht den Erwartungen. Um Erfahrungen zu sammeln, holte man aus Crawinkel verbesserte Mühlsteine für die Mühlen heran, vermittelte der Erzbischof von Salzburg Besuche in Gastein und Rauris. Auch wurde die Aufbereitung des Rheingoldes studiert.
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Betätigungsfeld für Alchimisten
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Die Auffahrung von Stollensystemen (Erb- und Fürstenstollen) im Tal der Grümpen ermöglichte einen verbesserten Abbau; ungelöst aber blieb das Problem der Aufbereitung. Ein weites Betätigungsfeld für Alchimisten. Mit viel Aufwand und Geld errichtete man in den Jahren 1564 und 1565 eine neue Schmelzhütte, die sich jedoch nach ihrer Fertigstellung als völliger Schwindel erwies und aufgrund der hohen finanziellen Belastung zu einer Einstellung des Bergbaus bis 1572 führte. Drei Jahre später setzte er an der Schiffskuppe wieder ein, wo bis 1577 insgesamt 2,6 Kilo Gold gewonnen wurden. In den folgenden Jahren grub man vor allem am Petersberg und Rittersberg. Die höchste Jahresausbeute erbrachte 1320 Gramm Gold. Im Vergleich zu den aus Übersee nach Europa kommenden Edelmetalleinfuhren war diese Menge aber so gering, dass der Bergbau 1590 aufgegeben wurde.
Die Bedeutung Steinheids lag darin, dass es hier das einzige größere Goldbergwerk im damaligen Kurfürstentum Sachsen gab.

Der Abbau war sehr extensiv, und die Ausbeute in der gesamten Hauptabbauzeit dürfte nur etwa 25 Kilo Gold betragen haben. Im Mittel überstieg der jährliche Ertrag nicht 0,5 Kilo. Der Goldgehalt schwankte zwischen einem und elf Gramm pro Tonne Gestein und betrug im Durchschnitt 4,3 Gramm pro Tonne.
Versuche einer Wiederaufnahme des Bergbaus zwischen 1690 und 1698 scheiterten. Dafür verklärten bis ins 19. Jahrhundert die alten Sagen, die man sich in den winterlichen Lichtstuben des armen Gebirgsortes erzählte, den einstigen Erwerbszweig. Sie ließen eine Stadt entstehen, in der mehr als tausend Bergleute wohnten und eine Münze Geld prägte, bis die Hussiten 1430 alles zerstörten. Ein letzter Bergbauversuch von 1822 bis 1824 führte zu einer Aufgewältigung der Stollen im Tal der Grümpen und teilweise zu neuem Vortrieb der Strecken. Jedoch erzielte man nicht die erhofften Ergebnisse.

Als der Montanbetrieb um 1600 zu Ende ging, fiel Steinheid wieder zum Dorf zurück und seine Bewohner verarmten. Von überörtlicher Bedeutung verblieb lediglich der Sitz eines Försters (seit 1540) für die Wälder der Kammregion des Sonneberger Landes, von dessen Amtsbereich erst 1729 der Forst Lauscha und 1738 der Forst Igelshieb abgetrennt wurden.
Da die Landwirtschaft auf der Gebirgshöhe nicht ertragreich sein konnte und nur die Viehzucht und später der Kartoffelanbau einigen Erfolg zeitigten, war der Marktort auf andere gewerbliche Tätigkeit angewiesen. Die Bewohner mussten bei kärglichem Lohn als Köhler, Pechsieder, Kienrußbrenner, Holzfäller, Schneidemüller und Fuhrleute arbeiten oder Holzschachteln herstellen. Später fand eine Anzahl von Familien Arbeit in der Porzellanfabrik Limbach.
Das Sandsteinvorkommen am Sandberg hatte für die Wirtschaft ebenfalls große Bedeutung.
Seit 1800 breiteten sich die Perlenglasbläserei und die ihr folgende Christbaumschmuckindustrie, aber auch die Spielzeugherstellung im Hausgewerbe aus.

Trotz des in Steinheid im 19. Jahrhundert völlig dominierenden industriellen und hausgewerblichen Proletariats gelang es nach Ansätzen von 1877 der Arbeiterpartei erst verhältnismäßig spät, hier festen Fuß zu fassen. Aber zur Wahl 1893 gewann sie die Mehrheit der Stimmen der Bevölkerung, und bald danach besaß sie ein erdrückendes Übergewicht, das auch in der Zeit der Weltwirtschaftskrise erhalten blieb. Die Sozialstruktur zeigte 1939 einen Anteil von 58 Arbeitern, daneben zahlreiche selbständige Hausgewerbetreibende, deren wirtschaftliche Lage kaum besser als die der Arbeiter war.“ Erst nach 1945 wurden Kinderarbeit, Arbeitslosigkeit und Not aus den Häusern der Glasbläser verbannt, heißt es in dem Kapitel über Steinheid weiter. Zu DDR-Zeiten bestimmte die Glasindustrie die Wirtschaftsstruktur Steinheids. Der VEB Baumschmuck mit seinen nahezu 500 Beschäftigten – davon fast 200 Heimarbeitern – war der größte Betrieb seiner Art in der DDR Seine Erzeugnispalette umfasste rund 2500 verschiedene Artikel, neben Glaskugeln auch Lametta, Engelshaar, Lichterketten und Baumspitzen. Ungefähr 16 Millionen Glaskugeln verließen seinerzeit jährlich den Betrieb. Etwa 70 Prozent der Kugeln wurden maschinell vorgefertigt. Blasen, Verspiegeln und Belacken der Kugeln erfolgten ebenfalls mit Maschinen. Den letzten Schliff führt man dann mit der Hand aus. Ein Viertel der Steinheider Werktätigen arbeitete im Zweigwerk des VEB Elektroinstallation Oberlind, in dem Staubsauger produziert wurden. Ebenso viele Einwohner fuhren täglich zur Arbeit nach auswärts, überwiegend in die Kreisstadt Neuhaus am Rennweg.

Zwar ist auch heute Steinheid noch ein Standort der glasverarbeitenden Industrie und Christbaumschmuck wird auch heute noch in Steinheid hergestellt, aber ein ausgesprochener Industrieort ist Steinheid schon lange nicht mehr. Staubsauger werden in Steinheid nicht mehr hergestellt und die Pendler fahren heute kaum noch in die Ex-Kreisstadt Neuhaus, sondern ins benachbarte Oberfranken.

Dafür wird in und um Steinheid kräftig an der Tourismuskurbel gedreht. Das Tourismusbüro im Ortsteil Limbach hat sich zu einer zentralen Anlaufstelle für Touristen entwickelt. Wintersport spielt nach wie vor eine Große Rolle und in Steinheid spürt man, wie die Einheimischen Geschichte auch als eine große Chance begreifen.
Es ist besonders die Goldbergbautradition, der man noch immer begegnen kann. „Goldgräberstübchen“ nennt sich eine Gaststätte, Goldwaschen kann man im Ortsteil Neumannsgrund und ein Lehrpfad erschließt einen Teil der einstigen Grubenanlagen zwischen Steinheid und Neumannsgrund.

Grund genug also, sich dem Thema Geschichte wieder zuzuwenden. Und schließlich lässt sich da – abgesehen von Vermarktungsmöglichkeiten vor allem eines erreichen: Stolz auf den Heimatort.

Steinesammler

  • Gast
Re: Drei Zeitungsartikel über die Steinheider Stadtgeschichte - Teil 3
« Antwort #2 am: März 09, 2007, 21:39:05 Nachmittag »
475 JAHRE STADTRECHT IN STEINHEID Wie der Gemeinschaftsgeist der Knappen „auf der steinernen Heide“ nach fast fünf Jahrhunderten zurückkehrte Eine Berg-Stadt, die von sich reden macht

Freie Presse vom 08.11.2005


VON THOMAS SCHWÄMMLEIN
„Es kann die Stadt, die auf dem Berge liegt nicht verborgen bleiben.“ Unter dieses Leitwort aus der Bergpredigt stellte Pfarrer Hubertus Laqua den Festgottesdienst anlässlich des 475-jährigen Stadtrechtsjubiläums der einstigen Bergstadt Steinheid am Sonntag.

STEINHEID – Verborgen blieb Steinheid am Wochenende denn auch nicht, denn dafür hatten zuallererst die Steinheider selbst gesorgt. „Stadt Steinheid“ hatten sie selbstbewusst auf Schilder geschrieben, die sie über die Ortseingangsschilder gehängt haben. Und über die „Stadt Steinheid“ war an diesem Wochenende sehr oft die Rede.
Mehr als jemals zuvor, so dass es einem fast unheimlich werden konnte. Denn so selbstbewusst, wie es die Steinheider an diesem Wochenende waren, kannte man sie sonst kaum. „Was Steinheid? Die zucken und leben wohl immer noch?“, hatte provokant Bürgermeister Jürgen Schreppel während der Festveranstaltung am Sonnabendabend bemerkt und damit unbewusst auf eine Art Bescheidenheit angespielt, die er in den vergangenen Jahren immer wieder zu beobachten glaubte.
Am Wochenende war Steinheid indessen alles andere als von falscher Bescheidenheit gekennzeichnet. Der Saal der alten Turnhalle am Markt hatte sich in einem Festsaal verwandelt, die Tische waren festlich geschmückt und die Steinheider kamen. „Zahlreicher als sonst in Steinheid üblich“, wie Bürgermeister Schreppel bemerkte, der erst am Sonntag um halb sechs Uhr früh endlich ins Bett kam.

Vor allem aber war das Jubiläum eine Sache der Steinheider selbst. Vereine, Kindergarten, Schule, Kirchgemeinde und einzelne Steinheider halfen zusammen, um ein Jubiläum zu begehen. „Halt den Hut fest, sonst fliegt er davon“, sangen die als Käferchen kostümierten jüngsten Steinheider aus dem Kindergarten am Sonnabendabend und manchen älteren Steinheider fiel dabei schon mal der alte Spruch ein, dass jemand, der in Steinheid keinen Wind spüre, ein gesegneter vor Gott sein müsse. Zwei Steinheider Grundschüler zeigten, dass sie Steinheider Mundart perfekt beherrschen und das Steinheider Heimatlied brachte der Volkschor auf die Bühne, bevor dann die Tanzband Hess zum Tanz bis in die Morgenstunden aufspielte. Aber selbst beim Essen, für das der Kirmesverein sorgte, hatte man die Steinheider Historie nicht aus den Augen verloren. Denn serviert wurden zum Festabend traditionelle Steinheider Gerichte: Kartoffelsuppe im Brotteig und „Steinheider Kloßkuchen“. Für die Tischdekorationen haben übrigens die Kinder des Steinheider Kindergartens schon mal vor ein paar tagen eifrige Bastelstunden eingelegt.
Dabei wäre das Fest den Steinheidern fast durch die Lappen gegangen, wie Jürgen Schreppel am Sonnabendabend gestand. Obwohl der Bürgermeister selbst den Stein, auf dem die Erhebung Steinheids zur „Freien Bergstadt“ im Jahr 1530 vermerkt war, durch Gemeindearbeiter freischneiden ließ und die Arbeit auch selbst abgenommen hat. „Was man unmittelbar vor den Augen hat, das sieht man nicht“, bemerkte Schreppel während der Festveranstaltung.

Ein fast vergessenes Jubiläum

Aber auch manch anderen alteingesessenen Steinheider war die große Sache nicht so recht bewusst. Am Ende haben sie aber mehr oder minder an einem Strang gezogen. Haben fleißig geplant und gewirkt. Selbst Steinheider aus der Ferne kamen zum großen Fest wieder einmal nach Hause. Unter den Ehrengästen, neben den Bürgermeistern der Nachbargemeinden Steinach, Neuhaus am Rennweg, Scheibe-Alsbach und Siegmundsburg sowie CDU-Landtagsabgeordneten Henry Worm war auch die ehemalige PDS-Landtagsabgeordnete Heide Wildauer in ihren Heimatort Steinheid gekommen.
Gekommen war auch Egon Krannich aus Grimme, der selbst seine Jugend in Steinheid verbracht hatte. Und er kam nicht mit leeren Händen, denn er hatte zwei Bände konzentrierter Ortsgeschichte mit im Gepäck – die Festschrift zum 475. Jubiläum der Erhebung zur „Freien Bergstadt und den Nachdruck einer belletristischen Schilderung von Steinheids Anfängen, die der Hildburghäuser Technikumslehrer Constantin Kümpel 1927 verfasst hatte. Krannich hatte es mit seinem Verlag unternommen, beide Werke herauszugeben, die zusammen mit einer Sammlung alter Steinheider Ansichten auf CD-Rom und DVD in der Tourist-Info Limbach zu haben sind. Ging die Festschrift schon am Sonnabendabend weg wie Kloßkuchen und Kartoffelsuppe, so sorgte die Vorstellung des Kümpelschen Steinheid-Epos am Sonntagabend für eine volle Stube im Kirmesvereinszimmer.

Steinheider Historie pur gab’s dann noch einmal am Sonntag in der Liebfrauenkirche. Dort hatten Steinheider Bürger und Ortskirche den gesamten Kirchenraum in eine Ausstellungsfläche verwandelt. Die einstige Christbaumschmuckherstellung wurde ebenso lebendig wie die Bergbauhistorie. Sogar echtes Steinheider Berggold gab es zu bestaunen, wenn auch nur auf Fotografien.
„Welch ein Ort in unserer Region kann auf eine solche Tradition zurückblicken“, hatte Scheibe-Alsbachs Bürgermeister in seinem Grußwort am Sonnabendabend gesagt. Viel war die Rede von einer großen Vergangenheit, an die anzuknüpfen es lohne.
„Es kann die Stadt auf dem Berge nicht verborgen bleiben“, sagte Jesus Christus in der Bergpredigt. Pfarrer Laqua griff genau diesen Satz in seiner sonntäglichen Predigt auf und stellte die Frage, welche Bedeutung die Erhebung Steinheids zur „Freien Bergstadt“ heute habe.

Die Gaben der Steinheider Bürger

In seiner Predigt griff er eine der ersten „Gemeindeordnungen“ der Christen auf, in der Paulus die Gemeinschaft nach den in ihr vorhandenen Gaben strukturierte. Und für eine „gute Ordung“ der weltlichen Gemeinde in Steinheid könne dies durchaus ein Vorbild sein, meinte der Pfarrer.
Denn auch die Steinheider hätten sehr unterschiedliche Gaben, die sie „in einem Geist“ einzusetzen verstünden, was die zurückliegende Jubiläumsfeier gezeigt habe.
Vor 475 Jahren gab es diese Gemeinschaft bereits. Es war eine natürliche „Communitas“ der Bergknappen, in die Kurfürst Johann auch viel Vertrauen gesetzt habe, meinte Laqua. Genau daran könnten die Steinheider nun anknüpfen.
Die Stadt auf dem Berg, am Wochenende lag sie – unübersehbar – vor den Augen der Einheimischen und der Gäste des Jubiläums. Sie brauche ihr Licht nicht unter dem sprichwörtlichen Scheffel zu stellen, hatte Pfarrer Laqua bemerkt. Die Steinheider hielten sich an diesem Wochenende daran und zeigten – völlig unbescheiden – sprichwörtlich „Flagge“.
Bürgermeister Schreppel sprach von Aufbruchstimmung in der Gemeinde und selbst das Wetter zeigte sich – völlig untypisch für einen Novembertag in Steinheid – von seiner besten Seite mit Sonnenschein. Die aktiven Steinheider wollen nun das sprichwörtliche Eisen nun auch wirklich schmieden, so lange es noch heiß ist.
Denn im nächsten Jahr steht wieder ein Jubiläum in Steinheid an. Dann kann nämlich die Liebfrauenkirche das 500-jährige feiern ...

 

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